Gnak und die Elfenprinzessin

Eine Leseprobe aus meiner Geschichte „Gnak und die Elfenprinzessin“, die in der Anthologie „Märchenbasar Vol. 2“ im MG-Verlag erschienen ist.

Gnak ist ein aufgeweckter Kobold, der leider die Ratschläge seiner Eltern in den Wind schlägt, als er die Elfenprinzessin auf einer Lichtung tanzen sieht.

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Die abendliche Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch das Grün des Blätterdachs und tauchte die kleine, kreisrunde Lichtung in ein rotgoldenes Farbenspiel. Gnak spähte fasziniert zwischen den Büschen hervor. Es waren nicht die vielen bunten Schmetterlinge, die die Blicke des Kobolds auf sich zogen. Seine kleinen schwarzen Knopfaugen waren nur auf ein einziges Wesen gerichtet. Filigran bewegte es sich zwischen den duftenden Blüten hin und her und auf und ab. Goldenes Haar schimmerte im Abendrot, vielfarbige Stoffe schwangen durch die Luft und glänzende, zarte Flügel surrten leise zu der zauberhaften Musik.

Es war die Elfenprinzessin, die Gnak aus seinem Versteck heraus beobachtete und die allabendlich mit einem kleinen Gefolge die Lichtung besuchte, um zur Musik der Harfe zu tanzen. Oft erfreute sie ihn auch mit ihrem Gesang, der ihre glockenhelle Stimme offenbarte, wenn auch der Kobold die Worte nicht verstand. Vor sieben Tagen erst hatte er die Lichtung entdeckt und das zufällig zu der Stunde, zu der die Prinzessin erschienen war. Seitdem fühlte sich Gnak wie verzaubert. Jeden Abend trieb es ihn nun zu der Lichtung. Die Ermahnungen, die er von seinen Eltern von klein auf erhalten hatte, schienen sich also wenigstens zum Teil zu bestätigen. „Elfen ham g’heime Zauberkraft. Hüt’ dich!“, bekam er immer wieder von der Mutter zu hören.

Aber nun konnte Gnak nicht mehr anders. Wenn er diesem anmutigen und lieblichen Wesen beim Tanz zuschaute, den süßen Klang ihrer Stimme in den haarigen Ohren, dann konnten ihn auch die Warnungen seines Vaters, Elfen seien eingebildet und hochnäsig, nicht schrecken. Sollte es tatsächlich so sein, diese Perle ihres schönen Volkes hätte ein Recht darauf.

Wie in Trance wiegte er sich zur Musik, alle Sinne auf die Tänzerin gerichtet, als eine Maus, vermutlich ihrer Nase folgend, an seinem großen Zeh zu knabbern begann. Mit einem Schrei des Entsetzens sprang Gnak auf und purzelte vornüber auf die Lichtung. Erschreckt stoben die Elfen auseinander, doch als sie sahen, was da aus dem Gebüsch kullerte, brachen sie in lautes Gelächter aus und sammelten sich, leicht auf und ab schwebend, über der kleinen Gestalt.

„Walan daren Knurz?“, fragte einer der Elfen, nachdem sich die meisten weitgehend beruhigt hatten und nur noch leise kicherten.
Ihm antwortete eine ältere Elfe in Allmund: „Ja, Freunde, dies ist ein Männchen aus dem Volk der Kobolde. Es ist wahrlich lange her, seit ich zuletzt eines zu Gesicht bekam. Und nun werdet ihr mir glauben, dass es mir darum nicht Leid tat!“
Die anderen Elfen nickten verständnisvoll. Nun sprachen sie alle durcheinander und Gnak hatte Mühe ihnen zu folgen.
„Wie kann ein Lebewesen so dick sein?“
„Seht nur seine Knollnase! Wie eine Kartoffel sieht sie aus.“
„Und die riesigen Ohren! Und so behaart!“
„Er stinkt!“
So ging es fort und fort. Der Kobold schaute nur mit großen Augen in die Runde. Nach dem ersten Schrecken schüchterten ihn nun die edlen Gesichter und harten Worte der Elfen ein.

„Ich finde, es sieht lustig aus!“ Das war die Prinzessin. „Fragen wir es, was es hier zu suchen hat!“ Doch sie wandte sich von Gnak ab und nickte einem älteren Elfen zu, der strenger gekleidet war als die anderen und sogleich zu sprechen begann: „Wer bist du und warum wagst du es, das Spiel der Prinzessin zu stören?“
Gnak brauchte eine Weile, bis er realisiert hatte, dass man ihn nun direkt ansprach. Dann suchte er so lange nach den richtigen Worten, bis der Elf seine Frage ganz langsam wiederholte.
„Es tut mir Leid, Hochheit“, wendete er sich an die Prinzessin. „Ich wollt’ nich’ stör’n. Ihr seht so wunde’schön aus. Ich konnt’ nich’ ande’s.“
„Soso, ich sehe also wunderschön aus“, lächelte die Prinzessin wenig überrascht. „Du kannst dir vielleicht denken, dass du nicht der erste bist, der mir solches sagt. Und wahrscheinlich bin ich nicht die erste, von der du hörst, wie unsagbar hässlich du bist. Du bist eine Beleidigung für meine Augen. Daher kann ich dich hier auf meiner Lichtung nicht länger dulden!“ Und wieder gab die Elfe einen kurzen Wink, diesmal an eine kleine Gruppe bewaffneter Elfen, und mit ihren Speeren trieben sie Gnak vor sich her, weit von der Lichtung weg.

Der Kobold war noch lange im Bann des äußeren Liebreizes der Prinzessin, bis ihm bewusst wurde, wie man ihn behandelt hatte. Jetzt erst wurde er zornig und mehr noch schämte er sich. So erzählte er niemandem von seinen Erlebnissen, allein um nicht hören zu müssen, man habe es ihm ja schon immer gesagt.

Am nächsten Abend aber konnte er, obwohl er es sich fest vorgenommen hatte, nicht zu Hause bleiben. Zunächst redete er sich ein, er werde nur ein bisschen herumwandern, um seinen Ärger zu vergessen, doch bald schon fand er sich bei der Lichtung wieder.

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Cover Märchenbasar 2Märchenbasar
Vol. 2 – Tritt ein und lass dich verzaubern

MG-Verlag
220 Seiten
ISBN: 978-3-931164-25-6

„Kutscher, fahre er los!“ Dieser schwang fröhlich die Peitsche in der Luft und ließ sie geräuschvoll knallen. Die beiden Rappen setzten sich kraftvoll in Bewegung und mit einem leichten Ruck fuhr die Droschke an.
„Wohin geht denn unser Ausflug, Papa?“, fragte Prinzessin Mirabelle ihren Vater, den König vom Wunderwunschland. „Jetzt kannst du es mir doch endlich verraten.“
„Mein liebes Kind, du hast recht. Ich habe dich wohl lange genug im unklaren gelassen. Wie du weißt, lasse ich in jedem Jahr an einem bestimmten Tag alle dringlichen Staatsgeschäfte liegen. Dann steige ich in meine Kutsche und begebe mich an einen geheimnisvollen Ort. Dieses Mal bist du endlich alt genug, um mich begleiten zu dürfen. Darüber freue ich mich ungemein.“
„Vater, nun sag schon. Wohin geht es denn jetzt?“ Prinzessin Mirabelle rutschte voller Ungeduld auf ihrem Sitz hin und her.
„Wir fahren zum Märchenbasar, ein Platz voller Zauber und Magie. Denn dort werden all die Märchen und wundervollen Geschichten zusammengetragen, die es auf der Welt gibt, und an die Menschen weitergegeben. Als König des Wunderwunschlandes ist es meine Aufgabe, den Märchenbasar zu eröffnen und zwar immer an diesem, einen Tag im Jahr. Ich bin mir sicher, es wird dir dort gut gefallen…“

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