Philvent – die zweiundzwanzigste Tür

© Ramona Heim
© Ramona Heim
© Ramona Heim

Ich wünsche euch eine frohe Philventszeit! Hä? Ja, richtig gehört. Das ist die Zeit der 24 kleinen Geschichten. Jeden Tag eine neue. Und jede neue übertrifft die vorige um einen Satz. Bis zum 24. Dezember, Philnachten, geht das so.

Irgendetwas stimmte nicht. Sie schaute lange aus dem Fenster. Begriff nicht, was es war. Sie schüttelte den Kopf und setzte sich wieder vor den Fernseher. Sie zappte durch die Programme. Keines konnte sie lange begeistern. Hunger. Sie ging zum Kühlschrank. Ein Joghurt. Ein Apfel. Und die Schachtel mit dem Rest vom Stollen, den die Mutter ihr geschickt hatte. Sie schloss den Kühlschrank, öffnete ihn aber gleich wieder. Eine Möhre. Sie betrachtete sie lange und ging wieder zum Fenster. Der Schneemann. Er war nicht mehr da. Gestern hatte sie ihm noch gewunken. Heute war er weg. War das seine Spur dort im Schnee? Sie ging in den Garten. Vergaß den Hunger. Eine Botschaft im Schnee: Bei dir war mir zu kalt.

Jugend hat keinen Sinn für Goethe & Co

Rezitator Lutz Görner: Mit Lyrik lässt sich kein Geld verdienen

Bücherregal: Lyrische Werke lässt die Jugend stehen (Foto: pixelio.de/Siegfried Fries)

Berlin/Weimar (pte/17.09.2010/13:30) – Die Umsätze von Lyrik-Bänden im Buchhandel sinken seit Jahren. „2007 machte der Umsatz im Bereich Lyrik noch 1,8 Prozent vom Gesamtumsatz des deutschen Buchhandels aus, mittlerweile sind es nur noch rund 1,2 Prozent“, so ein Sprecher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels auf Anfrage von pressetext.

Für Deutschlands bekanntesten Rezitator Lutz Görner liegt der Grund unter anderem an dem Überfluss an Medien: „Die jungen Leute heutzutage haben andere Probleme, als die jungen Leute vor dreißig Jahren. Damals hatten sie noch keinen Computer und Computerspiele, noch kein Handy, keine Klingeltöne, kein Wikipedia, kein Internet. Die hatten nur Fernsehen und LPs.“

Früher sei der Wunsch, sich mit Lyrik auseinanderzusetzen, größer gewesen. „Viele Leute sind in meine Vorstellungen gekommen oder ich bin in die Schulen gegangen. Das wurde mir manchmal schon fast ein bisschen zuviel“, erzählt Görner im pressetext-Interview.

Bewusstsein für Kunst muss sich erst entwickeln

Heutzutage sei kein Platz für Schiller, Goethe und Co meint der Rezitator. „Wenn man so lange Schule hat und dann fünf Stunden im Schnitt vor dem Fernseher oder Computer sitzt, dann ist ja auch nicht mehr so wahnsinnig viel Zeit. Aber das wird auch mal wieder anders.“ Das Bewusstsein für Kunst müsse sich auch erst entwickeln.

„Was will ein Elfjähriger mit einem Liebeslied von Verdi anfangen? Damit ist sein Gefühlshaushalt überfordert. Der hört sich lieber Tokio Hotel an. Das ändert sich dann mit dem Alter und irgendwann merkt man, dass es noch so etwas wie Kunst gibt“, ist sich Görner sicher.

Als Dichter braucht man die richtige Frau

Görner, der u.a. Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie studiert hat, ist vielen Deutschen und Österreichern bekannt durch seine Fernsehserie ‚Lyrik für alle‘. Über 17 Jahre wurde sie jeden Sonntagmorgen um fünf nach neun in Zusammenarbeit mit dem ORF bei 3sat ausgestrahlt. Mit Lyrik allgemein könne nie jemand wirklich Geld verdienen. Als Rezitator könne er jedoch nicht klagen.

Dichter hätten es schwerer, da die Auflagen von Gedichtbänden zu gering seien. „Von einer 2.000er-Auflage, bei der man auch nur zehn Prozent vom Händlerabgabepreis bekommt, kann man ja nicht mal die Miete zahlen. Wenn man heutzutage Dichter sein will, muss man sich die richtige Frau, mit einem festen Job aussuchen“, scherzt Görner.

Nach wie vor tourt Görner durch Deutschland und ist im Oktober erstmals mit seinem Schiller-Programm „Opiumschlummer und Champagnerrausch“ auch in Österreich zu Gast (22. Oktober Wien; 24. Oktober Wels). Nächsten Montag, 20. September 2010, widmet er sich ab 19 Uhr im Berliner Café Einstein Unter den Linden, gemeinsam mit Gerald Uhlig und „Deutsch-Rapper“ Curse im Rahmen einer Buchvorstellung der Frage, ob „Deutsche Lyrik – verstaubt oder zeitlos?“ ist. Infos hierzu unter http://www.beingoo.de/lyrik.

(pressetext)