PB-Plotten: 16 – Probekapitel

Mit der Planung sind wir fertig, geplottet haben wir auch bis zum Ende. Die folgenden Schritte stellen also ein kleines Extra dar.

Wie auch der Präsentationspitch und das Präsentationsexposé hilft das Probekapitel zu diesem Zeitpunkt nur denjenigen, die im Kontakt mit Verlag oder Agentur nicht auf ein fertiges Manuskript angeweisen sind. Ein Autor, der sich mit seinem ersten Buchprojekt um einen Vertrag bemüht, bzw. derjenige, der bisher noch auf keine Romanveröffentlichungen verweisen kann, wird in der Regel nur mit einem fertiggestellten Manuskript auf Verlagssuche gehen können.

Hat ein Autor dagegen bewiesen, dass er einen Roman zu Ende schreiben kann, entscheiden Verlage oder Agenturen oft schon anhand von Exposé und Leseprobe. Manche Autoren kommen sogar nur mit Exposé oder gar nur mit der groben Vorstellung einer Idee aus.

Wer so weit noch nicht ist, beschäftigt sich also jetzt erst einmal damit, sein Manuskript zu schreiben, wählt erst im Anschluss daran ein oder mehrere Probekapitel aus und schreibt das Exposé.

Je nach den Anforderungen des Verlags oder der Agentur wählt man als Leseprobe ein oder zwei Kapitel. Die Anforderungen sind meist auf Seitenzahlen ausgelegt, sodass man sich auch danach richten sollte. Möglicherweise plant oder hat man sehr lange Kapitel, sodass man mit einen Auszug aus einem Kapitel auskommt, bei sehr kurzen Kapiteln wählt man entsprechend mehr aus.

Wenn nicht ausdrücklich eine Leseprobe vom Anfang oder aus der Mitte des Manuskripts gefordert ist, steht der Autor vor der Qual der Wahl. Warum eigentlich? Wenn ich ein starkes Manuskript anzubieten habe, sollte es nahezu unerheblich sein, von welcher Stelle ich eine Leseprobe anbiete. Habe ich das Gefühl, das Manuskript habe seine Stärken nur an bestimmten Stellen, sollte ich die anderen überarbeiten und nicht verschämt zurückhalten.

Für denjenigen, der sein Probekapitel extra für die Verlags- oder Agenturbewerbung schreibt, bietet sich der Vorteil, dass er beim Schreiben dieses Kapitels sicherlich besonders sorgfältig vorgeht. Allerdings sollte er sich diese Sorgfalt auch für das Gesamtmanuskript bewahren, so er denn die Zusage bekommt.

Ich würde empfehlen, den Romananfang zu wählen. Der muss später auch den Leser überzeugen. Und er sagt dem Lektor oder Agenten, dass der Autor nicht erst lange nach etwas Repräsentativem suchen musste.

Nun könnte man der Ansicht sein, der Romananfang sei eben nicht repräsentativ für den gesamten Roman. Der Konflikt ist gerade erst im Entstehen, der Leser wird möglicherweise erst sanft in die Geschehnisse eingeführt. Vielleicht haben wir es mit einem actionreichen Thriller zu tun, der erst noch Fahrt aufnimmt. Oder der Protagonist berfindet sich zu Beginn noch in der realen Welt, wird aber in Kapitel drei den Übergang in eine fantastische Parallelwelt beschreiten. Wie soll sich der Lektor oder der Agent anhand des ersten Kapitels einen Eindruck davon verschaffen?

Die Antwort ist ebenso einfach wie eindeutig: gar nicht! Das muss er auch nicht, denn die Leseprobe ist dafür nicht gedacht. Sie könnte es ohnehin nicht leisten, schließlich sind Romane oft so facettenreich, dass man sie eben komplett lesen müsste, um all diese Facetten zu erleben.

Tatsächlich soll die Leseprobe einen Eindruck davon vermitteln, wie der Autor schreibt. Beherrscht er sein Handwerk? Ist sein Schreibstil eingängig und dem Werk angemessen? Versteht er es, das, was er vermitteln möchte, sprachlich umzusetzen? Schreibt er flüssig, spannend, bildreich, effizient, …

Kurz: Ist er sprachlich ausgereift, besitzt er Potenzial oder allzu große Schwächen. Ob aber der Roman selbst, die Idee dahinter, der strukturelle Aufbau und der Plot insgesamt ebensolches Potenzial besitzen, soll nicht die Leseprobe klären, sondern das Exposé!

Daher ist es nicht notwendig, sich einen Kopf zu machen, ob die Leseprobe das Potenzial des Romans repräsentieren kann. Sie soll das schreiberische Potenzial des Autors zeigen. Stattdessen sollte man sich bemühen, dass das Exposé die bestmögliche Werbung für den Roman als Ganzes darstellt. Wird der Lektor oder der Agent vom Exposé mitgerissen und vom Probekapitel alles andere als enttäuscht, wird er auch bald den gesamten Text kennenlernen wollen.

(PB-Plotten: Die Liste)

Multiple Persönlichkeit zwischen Berg, Goethe und Kafka

Nicht, dass ich glaubte, ihr würdet euch langweilen, nur weil ich mal eine Woche nicht da bin (Buchmesse). Zumal ich ja möglicherweise den ein oder anderen Blogeintrag vom Netbook aus beisteuern werde.

Dennoch will ich euch eine lustige Spielerei offenbaren, auf die ich meinerseits durch einen Eintrag im Forum von Literatopia gestoßen bin (danke, Lars!). Na ja, wenn ich es recht bedenke, ist es keine Spielerei, sondern für jeden Autor die Antwort auf die lang ersehnte Frage (oder umgekehrt): „Von wem habe ich eigentlich meinen Schreibstil geklaut?“

Wenn das mal keine ernste Sache ist! Bevor ihr nun sofort auf einen Link klicken wollt, um zu erfahren, welche(n) bekannten Autor(en) ihr mehr oder weniger erfolgreich kopiert, will ich euch noch offenbaren, was der digitale Experte der FAZ zu einigen meiner Werke sagt:

Nun seid ihr sicher schon ganz aufgeregt, daher nun endlich euer Weg zur Lösung oder zum Beginn all eurer Probleme:

FAZ.NET: Ich schreibe wie …

Online den Stil verbessern

Andrea Bottlinger leitet demnächst einen neuen Online-Schreibkurs. Der wird von der VHS Birkenfeld über die Lernplattform Moodle angeboten und steht unter dem Titel „Kreatives Schreiben – Verbessern Sie Ihren Schreibstil“.

Der Kurs geht über acht Wochen, beginnt am 4. September, kostet 96,- Euro und richtet sich vorrangig an Schreibanfänger und Hobbyschreiber. Genauere Informationen zum Programm und zur Anmeldung sowie zur Kursleitung gibt es hier.

Von der Kurzgeschichte zum Roman

Viele, die eine Kurzgeschichte schreiben wollen, haben vor allem ein Problem: die Kürze.

Allerdings hört man auch immer wieder von versierten Kurzgeschichtenschreibern, dass sie an ihrem Romanmanuskript verzweifeln, weil sie das Gefühl haben, sie müssten den sich angeeigneten Schreibstil aufblähen, um eine angemessene Romanlänge zu erreichen. Dazu gibt es zum Beispiel einen interessanten Thread im Forum der Geschichtenweber.

Ich denke, das Problem liegt vor allem darin, dass schon die unzähligen Tipps, die man zum Schreiben im Internet oder in Schreibratgebern bekommt, zu allgemein sind und kaum einmal zwischen dem Verfassen einer Kurzgeschichte und eines Romans unterscheiden.

Dazu kommt der immer weitläufigere Begriff der Kurzgeschichte, der inzwischen nahezu alle Prosa, die kürzer als ein Roman ist, in diese Gattung drängt. Tatsächlich müsste man hier natürlich weitere Gattungen wie die Novelle und vor allem die Erzählung, die in ihrer Struktur deutlich näher am Roman liegt, abgrenzen.

Bleiben wir aber zunächst bei der Abgrenzung von Kurzgeschichte und Roman.

Wie also bekommt der Kurzgeschichtenschreiber Länge in seinen Roman? Indem er sich die Frage stellt, wie er denn die Kürze in seine Kurzgeschichten bekommen hat.

Die Ursachen dafür liegen nur begrenzt in der Knappheit des persönlichen Schreibstils eines Autors, sondern vor allem in den unterschiedlichen Anforderungen, die die jeweilige Gattung an die Stilmittel stellt.

Hier sind vor allem die Fragen der Auswahl des Stoffs, also dessen, was erzählt wird, das Wie des Erzählens und die Charakterisierung sowie die Entwicklung der Figuren von Bedeutung.

Nehmen wir als Beispiel an, ein Autor wolle anhand seiner Geschichte eine Figur zeigen, deren übertriebener Ehrgeiz sie in den Untergang führt. Nehmen wir weiter an, er habe sich für einen Rennfahrer als Protagonisten entschieden. Nun ist die Frage, schreibt er eine Kurzgeschichte oder einen Roman.

Beides ist natürlich möglich. Schreibt er den Roman, schreibt er über die Geschichte dieses Rennfahrers. Je nachdem, wie der Roman angelegt ist, konzentriert er sich auf einen wesentlichen Ausschnitt dieses Lebens, in unserem Fall zum Beispiel auf all die Ereignisse, die den Rennfahrer zu dem Punkt führen, an dem er aus Übereifer einen Fehler begeht, der seine Rennfahrerkarriere beendet.

Dabei schreibt der Autor am Konflikt entlang, von seiner Entstehung bis hin zu seiner finalen Lösung (in unserem Fall dem Scheitern des Rennfahrers).

Je nachdem, wie der Autor den Konflikt anlegt, wird er seinen Roman in der Regel kurz vor der Entstehung des Konflikts beginnen lassen. Das kann in unserem Fall der Beginn der Rennfahrerkarriere unseres Protagonisten sein, aber auch ein bestimmter Punkt in der laufenden Rennsaison.

Folgt der Autor nun der viel zitierten Schreibregel und will den Roman straff erzählen, wählt er nur solche Szenen, die er am Ende nicht streichen könnte, ohne dass sich das Endprodukt grundlegend ändert. Selbst wenn er nur den Haupthandlungsstrang erzählt, landet er damit nicht unweigerlich bei der Kurzgeschichte. Im Mittelpunkt des Romans steht der Prota und sein Konflikt. Relevant sind daher alle Szenen, die eine Entwicklung des Protas und seines Konflikts zum Inhalt haben. So zum Beispiel die Szene, in der der Grundstein für die besondere Rivalität zwischen unserem Rennfahrer und seinem Hauptkonkurrenten gelegt wird. Oder die, in der es dem Prota gelingt, einen ersten Sieg gegen den Konkurrenten einzufahren. Aber auch die, in der er kurz davor steht, seine Prioritäten neu zu ordnen, weil er etwas erlebt, was eine höhere Bedeutung als die Rivalität auf der Rennbahn bekommen könnte, bis eine herbe Enttäuschung erneut die Scheuklappen hochfahren lässt.

All das braucht eine Kurzgeschichte nicht. Denn ihr Hauptaugenmerk liegt in Wirklichkeit nicht auf dem Protagonisten als solchem. Sie konzentriert sich auf ein Geschehnis. Ein Geschehnis, in dem der Konflikt bereits auf dem Höhepunkt angelangt ist, die Lösung kurz bevor steht. Daraus ergibt sich oft eine pointierte Form.

Die Kurzgeschichte könnte also die letzte(n) Runde(n) des letzten Rennens erzählen, in dem der Protagonist handeln muss, um die Meisterschaft zu gewinnen. Der Sieg in diesem Rennen ist entscheidend, der Prota fährt direkt hinter seinem Konkurrenten, setzt alles auf eine Karte und baut einen folgenschweren Unfall, der ihn nicht nur die Meisterschaft, sondern auch seine weitere Karriere als Rennfahrer kostet.

Die Kurzgeschichte erfüllt also dieselbe Prämisse wie der Roman, aber sie erzählt nicht die Geschichte des Protagonisten, sondern die eines Geschehnisses, an dem der Prota nur grundlegend beteiligt ist, also die Geschichte seines Scheiterns. Damit wird auch klar, dass die Kurzgeschichte all die Entwicklungen, die der Roman erzählt, einfach weglässt. Um die geht es nicht, weder in Bezug auf den Prota noch in Bezug auf den Konflikt. Was den Prota bis hierhin gebracht hat, welche Chancen er bereits hatte, den Konflikt für sich zu entscheiden oder ihm ganz zu entgehen, welche Niederlagen, welche Siege er bis hierhin eingefahren hat und, ganz wichtig, welche umfangreichen Charaktereigenschaften und Hintergründe Voraussetzung für den Konflikt waren, zählt für die Kurzgeschichte nicht. Hier ist alles gesetzt.

Das bedeutet auch, das mindestens ein Tipp, den angehende Autoren immer wieder zu hören bekommen, an der Kurzgeschichte völlig vorbeischießt: die Charakterentwicklung eines glaubhaften Protas.

Provokativ gesagt ist der Prota in der Kurzgeschichte nicht von entscheidender Bedeutung. Die Entwicklung seiner Eigenschaften muss sich den Anforderungen des erzählten Geschehnisses unterordnen. Nachvollziehbar wird er nur dadurch, dass er eine oder einige wenige Eigenschaften besitzt, die zum Geschehnis (und damit zum Konflikt) passen. In unserem Fall also ein extrem ehrgeiziger Rennfahrer, der in Anbetracht eines möglichen Siegs in der Meisterschaft jede Vernunft fahren lässt.

Mehr „Charakter“ braucht es für die Kurzgeschichte nicht. Sofern diese Eigenschaften erfüllt werden, ist der Prota austauschbar. Der Fokus, um es noch einmal zu sagen, liegt nicht auf dem Prota, sondern auf dem Geschehnis

Tatsächlich sind manche Texte, die uns in Anthologien oder anderswo als Kurzgeschichten angeboten werden (das trifft auch auf solche von mir zu) im engeren Sinne gar keine Kurzgeschichten.

Hier handelt es sich eher um Erzählungen im engeren Sinne. Diese Gattung liegt nämlich nicht allein der Länge wegen zwischen Roman und Kurzgeschichte. Wie die Kurzgeschichte ist die Erzählung in der Regel nicht verschachtelt, sondern konzentriert sich auf einen Handlungsstrang und wird meist chronologisch erzählt. Im Fokus steht aber nicht ein einzelnes Geschehnis, die Zuspitzung eines Konflikts, sondern eher (wie im Roman) eine Folge von Geschehnissen, eine Entwicklung.

Für eine Erzählung im engsten Sinne, eignet sich unser Beispiel nicht besonders gut, denn es ist auf einen zentralen Konflikt ausgerichtet. Tatsächlich könnte man natürlich auch ein einzelnes Rennen oder einen Teil der Rennsaison chronologisch (herunter-) erzählen, aber ohne einen zentralen Konflikt, wäre das wahrscheinlich eher langweilig. Dem Grunde nach ist eine Erzählung nämlich eher ein chronologischer Bericht realen oder fiktiven Geschehens. Eine Urlaubserzählung, die letzten Tage im Leben eines Menschen, ein Familienfest, alles Dinge, die eine Erzählung rechtfertigen, in der sich nicht alles um einen zentralen Konflikt drehen muss (was nicht heißt, dass sie konfliktfrei wären).

Sieht man es nicht ganz so eng, sind wir wieder bei den Geschichten, die auf verhältnismäßig wenigen Seiten einen Konflikt entstehen und sich entwickeln lassen, bis er auf einem Höhepunkt aufgelöst wird, romanhafte Erzählungen also. Oder Kurzromane. In der Regel sind auch diese nicht verschachtelt und chronologisch erzählt. Im Unterschied zum Roman setzen sie meist später ein, häufig bei einem Geschehnis, bei dem ein bereits schwelender Konflikt noch einmal deutlich gemacht oder verschärft wird.

Natürlich kann es auch am verwendeten Stoff liegen, der die Möglichkeit bietet, auf wenigen Seiten einen Konflikt entstehen zu lassen und ihn zum Höhepunkt zu treiben. Vielleicht erfährt unser Rennfahrer am Morgen vor dem finalen Rennen, dass seine Frau ihn mit dem Konkurrenten betrügt, mit dem ihn bis dahin eine enge Freundschaft verbunden hat. Nun will er es ihm im Rennen zeigen. Der Ausgang ist bekannt.

Diese Art der Erzählung liegt also wirklich genau zwischen Roman und Kurzgeschichte. Sie behandelt einen sich entwickelnden Konflikt, dessen Entwicklung entweder schnell genug vonstatten geht, dass sie sich auf wenigen Seiten chronologisch erzählen lässt, oder von dessen Entwicklung wir nur einen Ausschnitt kennenlernen, der aber repräsentativ für die Gesamtentwicklung ist. Weil es diese Entwicklung gibt, besteht die Handlung logischerweise auch aus mehr als einem Geschehnis In unserem Beispiel könnten das der Morgen mit der verräterischen SMS, eine Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten in der Boxengasse und die Abschlussszene, in der der Prota seinen verhängnisvollen Überholversuch startet, sein.

Im Vergleich zum Roman sehen wir aber, dass die Entwicklung sich auf einige wesentliche Stationen eines meist explosiven Konflikts beschränkt, während dem Prota kaum tief greifende Entwicklungsfortschritte (positiv oder negativ) zugestanden werden können. Sowohl seine Eifersucht als auch sein Konkurrenzdenken sind bereits auf einem Stand, der nur einen Anlass braucht, um den Konflikt zum Explodieren zu bringen.

Dennoch rückt der Protagonist im Vergleich zur Kurzgeschichte wieder stärker ins Zentrum. Er muss zwar ein weitgehend fertiges, aber doch runderes Charakterbild abgeben als in der Kurzgeschichte.

Der Vollständigkeit halber noch ein paar Sätze zur Novelle. Sie wird heute gern einfach von der Länge her definiert. Wird der Text länger als 20 Seiten, nennt man ihn eben Novelle. Dabei steckt schon im Begriff das entscheidende Charakteristikum der Novelle: die Neuigkeit.

Bei dieser Neuigkeit handelt es sich um ein vorausgehendes Ereignis. Vorausgehend deshalb, weil es dieses Ereignis ist, das die Handlung der Novelle erst in Gang bringt. Von diesem Ereignis geht alles aus. Üblicherweise zieht ein solches Ereignis eine Kette nachfolgender Ereignisse nach sich, wobei das für den Protagonisten, mal schleichend, mal plötzlich, eine grundlegende Veränderung bedeutet.

Ein sicher nicht ganz klischeefreies, aber umso besseres Beispiel wäre der treu sorgende Familienvater, dem wie aus heiterem Himmel ein (möglicherweise gar nicht so ernst gemeintes) Kompliment eine jungen Dame zufliegt. Von da an verliert sich der Mann immer häufiger in Tagträumen, denkt auf einmal an Alternativen, die ihm sein aktuelles Leben verwehrt, besucht seit Jahrzehnten zum ersten Mal wieder seine frühere Stammkneipe, usw. Möglicherweise biegt er eines Tages auf dem Weg zur Arbeit falsch ab, landet beim Bahnhof und ward nie wieder gesehen.

In unserem Beispiel könnte so ein auslösendes Ereignis das genaue Gegenteil sein: Der Rennfahrer, dem es bis dahin eher am letzten Quäntchen Ehrgeiz gefehlt hat, der sich dafür aber durch seine sportliche Fairness ausgezeichnet hat, wird eines Tages bei einem kleinen Streit von seiner Frau ein bisschen fahrlässig als Schlappschwanz bezeichnet. Das nagt an ihm und kanalisiert sich mehr und mehr in einem unbedingten Siegeswillen auf der Rennstrecke. Wiederum sind die Folgen bekannt.

Wir sehen, die Länge ist nur das eine. Die Gattungen stellen weitere, meist wichtigere Anforderungen an den Autor. Damit ist nicht gesagt, dass dieser sich streng daran halten muss. Ob es ihm wichtig ist, ob er gerade eine Kurzgeschichte, eine Erzählung oder eine Novelle geschrieben hat, ist ja seine Sache. Viel wichtiger ist, ob die Geschichte die eigenen Anforderungen erfüllt und das auch an die Leser weitergeben kann. Obendrein sind die Übergänge zwischen den Gattungen natürlich fließend.

In diesem kleinen Artikel sollte ja vor allem dem eingefleischten Kurzgeschichtenschreiber gezeigt werden, dass die Kürze, die er in seine Texte bringt, nicht unbedingt ein Charakteristikum seines persönlichen Schreibstils sein muss, sondern mit den Anforderungen, die diese Textsorte nun mal stellt, zusammenhängt. Versucht er sich dagegen an den Anforderungen für einen Roman, werden diese (Figuren- und Konfliktentwicklung, möglicherweise stützende Nebenhandlungen) von sich aus für eine gute Länge sorgen.

Es geht also weniger darum, den persönlichen Schreibstil zu ändern, sondern darum, sich für diese Entwicklungen Zeit einzuräumen, einen Konflikt nicht geradlinig und von eben auf gleich zum Höhepunkt zu treiben, sondern ihn  in seinen Auf und Abs „auszukosten“.

Komplizierte Sätze

Ich sinniere seit gestern Abend (wenn gerade Zeit ist) über ein Posting in einem Autorenforum. Ein User hatte einen Satz aus seinem aktuellen Projekt gepostet, in dem er sich bei einer grammatischen Frage nicht sicher war. Die Frage selbst war schnell zu klären, doch gab es eine ganze Reihe Anmerkungen, wie man den Satz einerseits übersichtlicher (also verständlicher), andererseits überhaupt sinnvoller gestalten könne.

Tatsächlich war es ein recht langer Satz, der viele Informationen gleichzeitig enthielt und auf jeden Fall den Leser, möglicherweise auch den Autor mit schwierig herstellbaren Bezügen der Satzteile untereinander überforderte.

Nun kenne ich Ähnliches aus meiner Lektoratstätigkeit. Besonder „junge“ Autoren neigen dazu, viel zu wenig Punkte zu setzen, den einzelnen Satz mit Informationen zu überfrachten und Satzstrukturen zu erschaffen, mit denen sie selbst dann nicht mehr klarkommen. Das ist nichts Verwerfliches, aber vielleicht etwas Vermeidbares.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ein Schreibstil, der mit kunstvoll zusammengezauberten Sätzen jongliert, ist etwas Feines, solange er zum Text passt und von seinem Autor beherrscht wird. Es ist aber auch wahr, dass eine spannend erzählte Geschichte auch in einer straffen, einfachen Sprache wirken kann, vor allem dann, wenn sie sich weder Ausrutscher in die eine noch in die andere Richtung erlaubt.

Warum brachte mich nun dieses Posting zum Grübeln? Weil es mir erstmals einen noch etwas vernebelten Weg aufzeigt, wie man Autoren raten könnte, die mit diesem Problem zu kämpfen haben.

Ich muss noch ein bisschen darüber nachdenken, dann wird das sicherlich ein Thema für mein Lektorenblog. Tipps von eurer Seite nehme ich dabei gern entgegen.

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