Nervt

Seit Windows 10 friert mir der Laptop immer wieder ein. Obwohl es gar nicht kalt ist. Eine Wärmflasche wird wohl auch nicht helfen, oder?

 

LesBar: Wollen Sie nicht gewinnen?

LesBar, Foto: Anneka
LesBar, Foto: Anneka
© Anneka

„Guten Tag, Herr Mann.”
Die unbekannte weibliche Stimme am Telefon klingt freundlich. Ich versuche, ihr ebenso freundlich zu antworten. Woher sollte sie auch ahnen, dass ich an einem Dienstagvormittag viel zu tun haben könnte?
„Sie haben doch vor einiger Zeit mal an der Nordsüddeutschen Klassenlotterie Ostwest teilgenommen, richtig?”
„Richtig.” Sollten die Leute etwa zur Erkenntnis gelangt sein, dass sie mir einen Hauptgewinn unterschlagen haben? Trotz meiner angeborenen Skepsis spüre ich, wie mein Herz ein wenig die Brust hinaufklettert. Vermutlich will es kein Wort verpassen.
„Sehen Sie, Herr Mann, wir von der Nordsüddeutschen Klassenlotterie Ostwest finden es schade, dass langjährige Kunden wie Sie bei uns noch nicht gewonnen haben. Daher haben wir uns zu einer besonderen Aktion entschieden, bei der nur solche Kunden teilnehmen können, die in der Vergangenheit noch nicht …”

Ich sollte auflegen! Es ist nicht nur eine leichte Enttäuschung, die mein Herz wieder in sein Stammgefäß zurückrutschen lässt, auch schrillt eine Klingel in meinem Kopf: Pass auf! Sonst wirst du die nicht mehr los. Dennoch verspüre ich, möglicherweise aus puren Rachegelüsten heraus, einen gewissen Ehrgeiz in mir aufsteigen.

„Entschuldigen Sie”, sage ich, mein Hörergegenüber unterbrechend, das ungeachtet meiner unausgesprochenen Gedanken und meiner fehlenden Aufmerksamkeit in seinen Ausführungen fortgefahren ist. „Ich fürchte, ich kann mir das nicht leisten.”
„Was?”
„Noch einmal monatlich Geld für ein Los auszugeben.”
„Aber Sie bekommen doch fünf Lose auf einmal.”

Ich sollte wirklich auflegen, aber diese Logik reizt mich nur noch mehr. „Das kann ich mir erst recht nicht leisten.”
„Herr Mann, hören Sie mir doch erst mal zu. Es kostet Sie ja praktisch nichts. Und die Gewinnchancen …”
„Also schenken Sie mir die Lose?”
„Herr Mann, unterbrechen Sie mich doch nicht dauernd, sehen Sie, mit 97,99-prozentiger Sicherheit gehören Sie schon jetzt …”
„Ja, aber ich kann mir ja schon die Lose nicht leisten.”

Ich halte das eigentlich für ein Totschlagargument. Tatsächlich scheint die Frau zu stutzen.
„Aber, wenn sie doch so sicher gewinnen, haben Sie das Geld bald wieder drin. Also …” Sie klingt jetzt weniger freundlich, fast verärgert.
Ich passe mich ihrem Ton an. „Gute Frau, dann sagen Sie mir doch endlich, was die Lose kosten!”
„Also, wir haben fünf Achtellose für Sie bereitgestellt. Mit jedem haben Sie die Chance auf einen Gewinn in Höhe von bis zu einer Million Euro. Sie haben garantierte Gewinnchancen von …”
„Was muss ich zahlen?”
„… selbst mit dem kleinsten Gewinn …”
„Der Preis!”
„Es kostet Sie nur sagenhafte 54 Euro, die sie nahezu garantiert …”
„Sehen Sie!” Aus mir heraus schreit der Triumph. „Das kann ich mir nicht leisten!”
„Aber, Herr Mann. Das ist doch kein hoher Betrag, wenn Sie bedenken, dass Sie den Einsatz am Ende mit ziemlicher Sicherheit vielfach zurückbekommen!”

Ich bin von der Begriffsstutzigkeit der Dame enttäuscht. Ich beschließe, Sie endgültig mundtot zu machen. „Hören Sie. Ich habe das Geld nicht …”
„Aber wenn Sie doch gewinnen.”
„Dazu müsste ich es ja erst einmal haben. Wenn Sie wollen, können Sie mir natürlich den Betrag vorlegen. Wenn ich gewinne, zahle ich es Ihnen auch garantiert zurück.”
Sie kichert unsicher. „Nein, das geht natürlich nicht. Sie bekommen wirklich keine 54 Euro zusammen, Herr Mann?”
„Sie müssten den Gewinn an einen Verhungerten auszahlen.”
„Aber wollen Sie denn nicht gewinnen? Sie bräuchten jetzt nur zuzusagen, Herr Mann.”

Ich würde mir mit beiden Händen an den Kopf fassen, wenn ich nicht den Hörer halten müsste. „Gut”, sage ich. „Ich sage zu und garantiere Ihnen mit sogar 100-prozentiger Sicherheit, dass ich Ihnen die Rechnung für die Lose schuldig bleiben werde.”
„Na, zahlen müssen Sie natürlich schon.”
„Kann ich doch aber nicht.”
„Wollen Sie sich diese Chance wirklich entgehen lassen?”

Ich gebe auf. „Also, was brauchen Sie?”
„Ihr Vorname war …?”
„Hermann.”

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© Ben Philipp

Spannung ohne Sicherheiten oder A Dorn is Born

In Wulf Dorns Debütroman „Trigger“ treffen wir an der Seite der Psychiaterin Ellen Roth auf einen außergewöhnlichen Fall: Eine geschundene und verwahrloste Frau, die sich vom Schwarzen Mann verfolgt fühlt. Mag dies in einer Psychiatrie nicht mehr als ein besonders interessanter Fall sein, wird er in der Folge für Ellen mehr als bedrohlich. Auf unerklärliche Weise verschwindet die Patientin und der Schwarze Mann fordert die Psychiaterin zu einem grausamen Psychospiel.

Dieser Roman bringt alles mit, was ein Psychothriller mitbringen muss und Wulf Dorn wird den Vorschusslorbeeren, die dem Leser auf dem Buchumschlag von den renommierten Kollegen Sebastian Fitzek, Andreas Eschbach und Thomas Thiemeyer entgegenspringen, vollauf gerecht.

Angesiedelt im fiktiven Fahlenberg in Deutschland könnte der Roman dennoch kaum ein exotischeres Setting bieten, denn für die meisten Leser dürfte das Umfeld einer psychiatrischen Klinik allein schon höchst Interessantes und Ungewöhnliches zu bieten haben.

Dabei versteht der Autor sein Handwerk. Er lässt die Orte und Gegebenheiten vor dem inneren Auge des Lesers als Bilder entstehen und zeichnet Figuren, angefangen von der Protagonistin bis hin zu den Nebendarstellern, die für den Leser lebendig werden.

Insgesamt ist die Geschichte stilsicher und routiniert erzählt in einer Sprache, die zum Thriller im Allgemeinen und zu diesem im Besonderen bestens passt. Nur hier und da wünschte sich der Liebhaber eine andere Formulierung oder eine leichte Verknappung.

Genial aber ist die Spannungskurve dieses Thrillers und all die Elemente, die zu dieser beitragen.

Von Beginn an werden Fragen aufgeworfen, die den Leser bei der Stange halten. Schnell nimmt die Geschichte, die sich vermeintlich eng an den Grundkonflikt schmiegt, Fahrt auf und bietet, obgleich scheinbar geradlinig erzählt, einen wendungsreichen Plot.

Allein der Grundkonflikt, der sich dem Leser im ersten Teil präsentiert, ist zwar sicherlich nicht einzigartig, an Spannung und Bedrohlichkeit jedoch kaum zu überbieten: Ein hochintelligenter Psychopath, der es direkt auf die Protagonistin abgesehen hat, ihr immer einen Schritt voraus ist und ihr sowohl physisch als auch psychisch auflauert.

Dabei spielt es kaum eine Rolle, wie dicht die Vorahnungen des Lesers an die tatsächliche Entwicklung in der Geschichte heranreichen, denn in jedem Fall bleibt die spannendste Frage die nach dem Motiv und den genaueren Umständen, also die nach dem Warum und dem Wie.

Und wenn die Realitäten immer mehr verschwimmen, taucht die Erzählung in die tiefsten Abgründe menschlicher Psyche hinab.

Fazit:

Wulf Dorns Debüt hält, was andere versprechen. Ein Psychothriller, der zu fesseln weiß, der gleichermaßen echte Spannung und Bedrohung bietet, wie er den Leser in surreale Albträume schickt.

Wulf Dorn: Trigger
Wulf Dorn: Trigger

Wulf Dorn
Trigger
Psychothriller

Taschenbuch
Heyne, 2009
ISBN: 978-3-453-43402-8

Klappentext:

Der Fall einer misshandelten Patientin wird für die Psychiaterin Ellen Roth zum Alptraum: Die Frau behauptet, vom Schwarzen Mann verfolgt zu werden. Kurz darauf verschwindet sie spurlos. Bei ihren Nachforschungen wird auch Ellen zum Ziel des Unbekannten. Er zwingt sie zu einer makaberen Schnitzeljagd um ihr Leben und um das ihrer Patientin. Für Ellen beginnt ein verzweifelter Kampf, bei dem sie niemandem mehr trauen kann. Immer tiefer gerät die Psychiaterin in ein Labyrinth aus Angst, Gewalt und Paranoia. Und das Ultimatum läuft …

Ein nervenzerrender Psychothriller, der seine Leser schonungslos in die Abgründe der menschlichen Psyche zieht.

„Als ob David Lynch einen Roman von Stephen King verfilmt hätte. Großartig!“ (Thomas Thiemeyer)

„Mit Wulf Dorn betritt ein Autor die Bühne, den man einmal einen großen Erzähler nennen wird. Lesen Sie dieses Buch, und Sie werden später einmal sagen können, dass Sie von Anfang an dabei gewesen sind.“ (Andreas Eschbach)

„Ein perfekt recherchiertes Psychothrillerdebüt: Dorn weiß, wie man den Leser an die schweißnasse Hand nimmt und ihn zu den Abgründen der menschlichen Seele entführt. (Sebastian Fitzek)

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Das Buch ist auch als gekürzte, vom Autor gelesene Hörbuchfassung erhältlich.

Wulf Dorn:

copyright by Frank Riederle
copyright by Frank Riederle

Wulf Dorn, Jahrgang 1969, schreibt seit seinem zwölften Lebensjahr. Seine Kurzgeschichten erschienen in Anthologien und Zeitschriften und wurden mehrfach ausgezeichnet. Seit 1994 ist er in einer psychiatrischen Klinik tätig, wo er in der beruflichen Rehabilitation psychisch kranke Menschen beim Wiedereinstieg ins Arbeitsleben unterstützt. Mit seiner Frau und einer Glückskatze lebt er in der Nähe von Ulm.

Homepage von Wulf Dorn

Pflanzen greifen an!

Die TriffidsAls kleiner Junge war ich oft bei meinem besten Freund zu Gast. Die ganze Familie liebte Hörspiele. Viele schaurig schöne Abende verbrachte ich dort mit den „Drei ???“ und anderen Klassikern.

Aber einer dieser Abende sollte für mich zu einem Erlebnis der besonderen Art werden, denn ich konnte danach die ganze Nacht nicht mehr einschlafen. Meine Gastgeber hatten das vierteilige Hörpiel des WDR „Die Triffids“ mitgeschnitten und wir führten es uns an diesem Abend komplett zu Gemüte.

Möglicherweise war ich durch meine Eltern zu gut vor Grusel und Spannung beschützt worden, dieses Hörspiel jedenfalls raubte mir den letzten Nerv. Kaum auszuhalten, die Bedrohung in der dunklen Welt nach der Katastrophe, die von den von Menschenhand gezüchteten Pflanzenkreaturen, den Triffids, ausging.

Ob sich dieser Nervenkitzel wiederholen lässt, werde ich hoffentlich bald austesten können, habe ich doch den Roman John Wyndhams von meiner Freundin geschenkt bekommen. Es wird eine Reise zurück in eine unvergessliche Nacht des Grauens, die ich in  meiner Kindheit erlebte.