
(Foto: © Anneka)
Manche Jugend steckt in den Falten des Alterns.
Im Auge des Autors
Bei Janetts Meinung ist gerade Bestsellerautor und Geschichtenweber Andreas Gruber zum Interview angetreten, da fiel mir ein, ich könnte hier auch einmal wieder auf meine Interviewreihe aufmerksam machen, zumal auch dort zuletzt zwei liebe und erfolgreiche Kolleginnnen aus dem Fantasygenre zugegen waren, nämlich Daniela Knor und Ju Honisch. Was sie so zu sagen hatten, sollte man sich keinesfalls entgehen lassen!
Bis zum Ende des Monats steht erst einmal eine Kurzgeschichte für die Geschichtenweber an. Darauf freue ich mich schon lange. Vor allem, weil das nach langer Zeit überhaupt erst einmal wieder ein bisschen (fiktionales) Schreiben bedeutet. Anschließend schaffe ich hoffentlich den Übergang zu meinem schon lang vor sich hin vegetierenden Romanprojekt.
Autora Auge: Hallo, Herr Wild.
Andreas: Guten Tag, Frau Auge.
Autora Auge: Sie sind Fotograf, richtig?
Andreas: Richtig. Also, Hobbyfotograf.
Autora Auge: Und was fotografieren sie so? Landschaften? Tiere? Gebäude? Frauen?
Andreas: Alles. Also … außer Frauen.
Autora Auge: Tatsächlich? Ich meine, mich zu erinnern, dass Sie in der Geschichte „Bitte recht tödlich“ in der Anthologie „Mecklenburger Schweinerippe(r)“ eine junge Frau fotografiert haben.
Andreas: Nein! Also … nicht absichtlich.
Autora Auge: Aus Versehen?
Andreas: Ja.
Autora Auge: Kannten Sie die Dame?
Andreas: Nein.
Autora Auge: Hm. Sollte ich da vielleicht nicht weiter nachfragen?
Andreas: Nein … Bitte nicht.
Aufgabe:
Schreibe einen Text von maximal 250 Worten, zum Thema „Mein liebstes Hobby: Schreiben“. Im Text muss jeder der folgenden Sätze mindestens einmal vorkommen: 1. Ich finde es echt zum Kotzen! 2. Ich könnte „Scheiße!“ schreien!
Claudia Toman (Anna Koschka)
Wenn ich am Computer sitze, vergesse ich alles um mich herum. Die Welt konzentriert sich auf den Bildschirm und das Eingabefenster vor mir. Ich bin so etwas wie Gott, nur mit Touchpad und in Pantoffeln.
Weltabschaffung auf einen Klick.
Enter.
Geil.
Zum Beispiel hier, ganz oben, Kapitel nullkommaneunzigtausend. Ich finde es echt zum Kotzen, dass sich Frau G. schon wieder wichtig macht. Dank Frau K. Was für eine Verschwendung von Speicherkapazitäten. Kann man nicht einfach beide löschen? Aus dem Zusammenhang reißen und gnadenlos verthesaurussen? Bis nichts als ein Platzhalter bleibt? Quasi recyceln.
Delete und weiter.
Nach unten gescrollt. Ein missglücktes Date, ein dreckiges Kind und fünfundvierzig Mal das Wort „Hitze.“ Auf einer Seite.
Wo ist der Korrektor, verdammt?
Ich könnte „Scheiße!“ schreien, jedes Mal, wenn ich an die Geschichte mit dem Mann im Supermarkt denke. Wer kauft auch sämtliche Ü-Eier auf und wundert sich über braunen Dreck aus dem Maul? Nein, Moment, das war der rechtsrechte Parteichef mit dem smarten Look.
Ich bin zu schnell.
Meine göttliche Mission droht zu scheitern. Also lösche ich sie alle. Die Mutter mit den Bastelhühnern, Frau A. im Strandkorb, den Burger King, den Autorvornamenachname, die Modeltussi, den Samstagabendmoderator und wie sie heißen. Erledigt. Gefeuert, das ganze Personal.
Befreiung 2.0 im Garten Eden.
So! Wo waren wir stehengeblieben?
Ach ja, schreiben.
Ich klicke Facebook weg.
Schreiben? Als Hobby? Ich könnte „Scheiße schreien! Denn, nein, verdammt, es ist schon lange kein Hobby mehr. Ich lebe davon. Der Bäcker backt ja auch nicht als Hobby. Gut, vielleicht hat er mal so angefangen. Hey, ich backe mal ein kleines Brötchen. Und, bumm, gefühlt drei Tage später steht er nachts um drei vor seiner Teigmasse und brüllt in die Nacht: „Ich finde es echt zum Kotzen! Hätte ich doch was anderes gemacht! Ich habe kein einziges Hobby mehr, sondern verdiene meine Bröt-, äh, mein Geld damit!“ Wer weiß, irgendwann, wenn ich groß bin, vielleicht lebe ich dann meinen Traum und mache meinen Beruf zum Hobby.
Seit er sein neues Hobby entdeckt hatte, hockte er nur noch am Laptop und tippte.
Sie saugte Staub. Um seinen Schreibtisch herum.
„Muss das jetzt sein?“ Wie genervt es klang. Es reichte. Endgültig. Sie stellte den Staubsauger ab.
„Hör mal, ich finde es echt zum Kotzen, dass du …“
„Was?“
Okay, ihre Wortwahl war vielleicht etwas drastisch, aber sie entsprach ihrem momentanen Gefühlszustand.
„Ich sagte, ich finde es echt zum Kotzen, dass du mich …“
„Oh! Ja! Das muss Darius antworten! Danke, Schatz.“
Er tippte, murmelte vor sich hin: „‚Ich finde es echt zum Kotzen‘, sagte Darius mit peitschendem Schwanz.“
„Was … äh … schreibst du da?“
„Darius ist ein Drache.“
Sie trat einen Schritt näher an den Tisch heran. Vielleicht sollte sie einfach mehr Interesse an seinem Hobby zeigen.
„Sag mal, Bärchen, können Drachen überhaupt kotzen? Speien die nicht Feuer oder so?“
„Was soll das jetzt?“ Sein Blick. Als wäre sie der Drache.
Was das soll? Du bemerkst nicht, dass ich meinen neuen Ledermini trage. Du überlässt mir den gesamten Haushalt und wir hatten seit mindestens einem Monat keinen Sex mehr. Ich … verdammt, ich könnte Scheiße schreien!
All das sagte sie nicht. Auch nicht das, was ihr als Nächstes in den Sinn kam.
Die einen schreien Scheiße, die anderen schreiben …
Oh Gott, nein. Sie liebte ihn doch.
Sie stellte den Staubsauger wieder an.
Ich finde es echt zum Kotzen! Und zwar vollkommen und immer wieder gerne von Herzen. Was ich damit meine? Nun, das ist ganz einfach, aber trotzdem total kompliziert und schlecht nachvollziehbar. Ich meine damit: Wenn beim Schreiben Dinge passieren, die im Vorfeld nicht absehbar waren und dann hinten auf einmal anders sind als vorne, weswegen dann meist auch in der Mitte etwas nicht funktioniert und sich auf später auswirkt, denn dann muss man wieder am Anfang herumschrauben und stellt hernach fest: Jetzt geht etwas anderes auf einmal nicht, mit dem man überhaupt nicht gerechnet hat. Das ist wie mit dem Schmetterling und dem Sack Reis, der in China umfällt – solche Dinge geschehen wirklich, und zwar dauernd. Tausende Säcke Reis fallen täglich um, wenn die Drecks-Schmetterlinge fliegen. Kapieren Sie nicht, oder? Ist auch schwer zu verstehen, weil es dafür kein Wort gibt. Man könnte es zum Beispiel zusammenfassend einfach „Fuck“ nennen – und jeder wüsste sofort Bescheid. Wenn ich gefragt werde, was los ist, könnte ich einfach sagen: „Fucking Fuck ist los.“ Und alles wäre klar. Weil es aber keine Bezeichnung für „Fuck“ gibt und der „Fuck“ so schwer zu erklären ist, lässt man es einfach und sagt halt: „Ach, weiß ich auch nicht.“ Weil es besser so ist, denn: Den „Fuck“ im Detail zu erklären – nee, da wird man wieder wahnsinnig und regt sich noch mehr auf. Jedenfalls: Ich könnte „Scheiße!“ schreien, wenn dieser „Fuck“ passiert.
Für jemanden, dessen liebstes Hobby das Schreiben ist, ist es ein Klacks, einen Text von 250 Wörtern zu verfassen, in dem die Sätze „Ich finde es echt zum Kotzen!“ und „Ich könnte Scheiße schreien!“ vorkommen. Ich bin so jemand. Nicht, dass diese Begriffe zu meinem täglichen Wortschatz gehören würden. Gott behüte, nicht in meinen aggressivsten Träumen kämen mir solche Ausdrücke in den Sinn. Aber was wäre ich für eine Autorin, wenn ich mich nicht auch in ordinäre Protagonisten hineinversetzen könnte?
Also frisch ans Werk. Vorher vielleicht noch einen kleinen Prosecco zur Motivation. Ich trinke ihn langsam und genussvoll, während ich nach einer Idee suche. Fülle das Glas erneut und beobachte die nächsten zehn Minuten, wie die Kohlensäureperlen an der Oberfläche zerplatzen. Die besten Ideen kommen mir immer beim Rauchen. Also raus auf den Balkon und eine Fluppe ins Gesicht. Nach dem dritten Sargnagel lässt der Geistesblitz noch immer auf sich warten. Ich habe das Bedürfnis, laut „Scheiße!“ zu schreien und tue es. Meine Nachbarin, die im Garten buddelt, fragt, ob alles in Ordnung ist. Ich murmele etwas von Recherche am lebenden Objekt.
Zurück zum Schreibtisch. Ich sollte allmählich anfangen. Doch die Kreativität ist anderswo unterwegs. Meine Muse geht fremd und küsst wohl gerade jemand anderen. Welcher Teufel hat mich geritten, diesen Auftrag anzunehmen? Die Seite ist so leer wie mein Hirn. Kann ein Cursor hämisch blinken? Ich bin sicher, er kann. Welcher Idiot hat sich eigentlich dieses bekloppte Thema ausgedacht? Ich finde es echt zum Kotzen. Ich könnte „Scheiße!“ schreien!
Gelegentlich würde ich am liebsten „Ich finde es echt zum Kotzen!“ erwidern, wenn mir mal wieder jemand breit lächelnd erklärt: Ach, Sie schreiben Geschichten? Ich könnte das ja nicht, diese ganzen Wörter und so … Aber das ist schon okay, jeder sollte ein Hobby haben. Ich zum Beispiel finde ja Brieföffner wunderschön, die sammel ich schon mein ganzes Leben.“
Dummerweise hat der Mann recht, also nicht mit den Brieföffnern, aber mit dem Rest.
Was mich unweigerlich zu der Frage führt, die ich mir in letzter Zeit öfter stelle: Ist das Schreiben eigentlich immer noch nur ein Hobby für mich oder ist es schon mehr? Und wenn ja, was … ultimative Selbstbestätigung oder gar der Versuch, unsterblich zu werden?Nun, zumindest ist es weder Job noch sonst irgendwie gewinnbringend. Inzwischen reichen die Tantiemen zwar wenigstens dafür, die Liebste beim Italiener um die Ecke zur Pizza einzuladen. Aber spätestens wenn wieder die Bemerkung kommt: „Warum schreibst du denn nicht mal so etwas wie Harry Potter oder die Tribute von Panem? Dann würdest du wenigstens jede Menge Geld verdienen und könntest mich anständig ausführen!“, sind das die Momente, in denen ich „Scheiße“ schreien könnte. Wenn auch nur ganz leise.
Doch unabhängig davon, ob Hobby oder doch schon mehr, eines weiß ich mit Sicherheit: Das Schreiben und auch das Herausgeben von Büchern macht mir Spaß, und ich hoffe, dass die Ergebnisse auch meinen Lesern Spaß bereiten. Und wenn das irgendwann mal nicht mehr so sein sollte … dann bleiben mir immer noch die Brieföffner.
Vielen Dank an die teilnehmenden Autorinnen und Autoren!
Dass er ein kräftiger Mann war, half ihm in seiner Verzweiflung. Er griff sich mit beiden Händen an den Kopf und zerrte so lange, bis er sich in der Mitte entzweigerissen hatte.
Für eine Weile schien es ihm, als habe er damit seine Probleme gelöst. Er gab sich auch weiterhin Mühe, den Wünschen beider Seiten nachzukommen. Endlich gelang ihm das, ohne entweder diese oder jene zu vernachlässigen.
Leider musste er schon bald feststellen, dass er sowohl in den Augen seiner Frau als auch bei seiner Geliebten zusehends an Ansehen verlor. Er war für beide nur noch eine halbe Portion.
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Ja, war in der letzten Zeit ein wenig ruhig hier. Sorry. Und dann war da noch die Frage nach den Schreibübungen. Nun, da beginne ich doch gleich mit einer neuen Kategorie. Ich poste ein Bild, das euch vielleicht zu einer netten oder weniger netten Szene inspiriert. Das macht (hoffentlich) Spaß und trainiert. Wer möchte, kann das Ergebnis wie immer gern in die Kommentare posten.
Also, los gehts!
Heute habe ich bei Schreibrausch gelesen, es könne neue Impulse geben, die Kreativität und den Schreibstil positiv beeinflussen, wenn man, statt in die Tastatur zu hämmern, mal wieder den Stift in die Hand nimmt. Das glaube ich sofort. Ich fürchte allerdings, dass sich damit mein Schreibtempo noch einmal deutlich verringern würde. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich (oder irgendwer sonst) das Geschriebene später noch entziffern könnte, ist praktisch gleich null.
Seit Windows 10 friert mir der Laptop immer wieder ein. Obwohl es gar nicht kalt ist. Eine Wärmflasche wird wohl auch nicht helfen, oder?
Ich glaube fast selbst daran: Bald schon könnte es eine ganz neue Folge einer Reihe geben, die dieses Blog schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat! Ihr dürft gespannt … ach nee, lieber nicht.
Manche haben es vielleicht schon gehört: Ich lese mit den lieben Kollegen in Leipzig auf der Buchmesse. Am 18. März ab 10.30 Uhr auf der Fantasyleseinsel. Bislang habe ich mich mit Informationen dazu zurückgehalten, denn meine KollegInnen und ich hofften noch, dass sich das vielleicht als Ente … äh … dass am Ende wir vielleicht doch nicht müssen … können … dürfen … ähm …
Jedenfalls freuen wir uns alle ganz ungemein darauf. Denn natürlich machen wir das ganz freiwillig. Wie auch sonst? Kann uns ja schließlich keiner, also niemand, also absolut überhaupt niemand keiner dazu zwingen. Schon das Buch, aus dem wir lesen, ist ja entstanden, weil wir uns rächen … äh … weil ich den Rechen … weil wir damit rechnen …
Ach was, wir verraten euch das einfach alles bei der Lesung. Oder auch nicht. Doch, klar, da sind wir auf jeden Fall. Wir müssen ja. Nicht. Was? Aua! Ja, klar, wollte ich doch gerade schreiben:
Freitag, 18. März, 10.30 Uhr, Buchmesse Leipzig, Halle 2, Stand H309. Es lesen Claudia Toman, Stefan Cernohuby, Wolfgang Schroeder und Philipp Bobrowski aus „Die Rache der Feder“ (Geschichtenweber, Arcanum Fantasy).
Gut so? Aua!
Neues Jahr, neuer Ehrgeiz.
Hach ja, bald, so denke ich, gibt es auch wieder ein neues Wochenzitat. Und so weiter.