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Ich fühle mich fast schon wie George R. R. Martin, so lange wie ihr jetzt schon auf den zweiten Teil der Reihe „Schon überarbeitet?“ warten musstet. Aber adeln wir mich nicht unnötig, sondern legen lieber gleich los, schließlich ist Zeit knapp. Und genau darum soll es in diesem Teil gehen, um Zeit, also darum, wie lange man sein (doch eigentlich schon fertiges) Werk überarbeiten sollte.
Dass eine Überarbeitung mehr ist als eine Fehlerkorrektur, hat der seltsame Schultertipper im ersten Teil schon behauptet, als er Autorin Tippi zur Seite stand. Dann hat er lauter Dinge heruntergerasselt, bis Tippi fürchtete, sie werde ihren Roman länger überarbeiten, als sie überhaupt daran geschrieben hat. Tja, was glaubt ihr, hat da der Schultertipper geantwortet? Er hat mit den Schultern gezuckt. Wohlgemerkt mit seinen eigenen. „Kann passieren“, hat er noch gesagt, und dass alles davon abhänge, welcher der unendlich vielen Autorentypen sie sei, und welche Arbeitsweise sie bevorzuge.
Es gäbe da diejenigen, die keinen Satz schreiben könnten, ohne ihn nicht zwanzigmal im Kopf hin und her gewendet zu haben, bis sie zufrieden seien. Die wären zwar beim Schreiben nicht besonders schnell, aber das, was dann auf dem Papier stünde, sei bereits so perfekt, dass vielleicht schon ein einmaliges Drüberlesen ausreiche, mehr um sicherzugehen. Die akribischen Planer leisteten oft eine so gute Vorarbeit, dass sie am Ende wenigstens vor gröberen Schnitzern gefeit seien. Vielleicht wäre sie aber auch eine derjenigen, die sich beim Schreiben eher treiben lassen und in einer entsprechend längeren Überarbeitungsphase überhaupt erst einmal schauen müssen, was dabei eigentlich herausgekommen ist. Schließlich führte er noch – ohne dabei auch nur im Geringsten die Nase zu rümpfen – diejenigen an, die von vorneherein und ganz bewusst in der Schreibphase jeden inneren Zensor/Lektor ausschalteten und quasi gezielt auf eine zu überarbeitende Rohfassung hinschrieben.
Eine Überarbeitung am Ende, so der Schultertipper, werde man kaum umgehen können, aber wie umfangreich die ausfalle, hänge eben unter anderem von der Überarbeitung ab, die man bereits beim Schreiben vollzogen, und der Vorbereitung, die man schon vor dem Schreibprozess geleistet habe. Am Ende gleiche sich das wahrscheinlich mehr oder weniger aus. Und letztlich zähle sowieso nur das Ergebnis.
Tippi nickte, war aber doch nicht ganz zufrieden, sehnte sich nach Anhaltspunkten. „Überarbeite dein Manuskript in mindestens drei Durchgängen“, sagte der Schultertipper. „Wenn du die Zeit hast, lass es zwischendurch ein paar Wochen liegen. Wenn du nach der letzten Überarbeitung nicht mehr weißt, was du noch besser machen könntest, gib dein Werk an Testleser, damit du es später hinsichtlich ihrer Anmerkungen erneut überarbeiten kannst. Und vergiss, während du diese Punkte abarbeitest, nie, dass nur das Ergebnis zählt!“
„Okay, nur eines noch“, sagte Tippi. „Womit soll ich beginnen?“ Der Schultertipper seufzte und vertröstete sie auf das nächste Mal.