Käuze am Küstrinchen

Eine Leseprobe aus meiner Gerschichte “Käuze am Küstrinchen”, die in der Geschichtenweber-Anthologie “Schatten des Jenseits” im Web-Site-Verlag erschienen ist.

Es spricht nicht viel dafür, dass zwei Paddler sich richtig entschieden haben, als sie sich vornehmen, den Küstriner Bach des Nachts zu befahren. Bald schon sieht man die Hand vor Augen nicht mehr. Doch das ist bei Weitem nicht das Schlimmste.

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„Es muss bewölkt sein“, sagte mein Begleiter.
„Oder der Mond hat sich heute Zeit gelassen, über die Baumkronen zu klettern“, antwortete ich.
„Kannst du herausfinden, wie spät es ist? Mein Feuerzeug ist nass geworden. Ich kann die Uhr immer noch nicht erkennen.“
„Klar“, antwortete ich, fingerte mein Feuerzeug aus der Tasche und schaute auf meine Uhr. „Gleich Mitternacht.“
„Kuuuuuhhhwiiiit!“
Mir fuhr der Schreck in die Glieder.
„Kuuuuuhhhwiiiit!“
Jetzt wollte ich es einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich zog mich bis auf die Badehose aus, schaffte es dabei mit ein wenig Geschick, dass die Jeans wenigstens teilweise trocken blieb, und tastete mich wieder bis zum Wehr vor. Das Wasser dahinter war noch immer dunkel, vom Grund nichts zu sehen. In dem Rauschen glaubte ich, ein glucksendes Geräusch zu hören, das mir vorher nicht aufgefallen war. Ich stockte einen Moment und lauschte.
Nichts.
Ich drehte mich vorsichtig um, suchte mit den Händen Halt an der Wehrkante, stemmte mich ein wenig hoch und ließ mich langsam herunter. Meine Füße tauchten ins Wasser ein, die Unterschenkel, die Knie, die Oberschenkel – kein Grund.
Etwas streifte mich am Bein. Mit einem Aufschrei stemmte ich mich wieder hoch, zog die Beine aus dem Wasser.
„Was ist?“, fragte Thomas. Seine Stimme klang besorgt.
„Da ist irgendwas!“
„Was?“
„Ich weiß es doch auch nicht!“, brüllte ich meinen Schreck heraus. Es mochte ein Fisch gewesen sein, eine Wasserpflanze – oder eben ein Untier. Ich musste an die Hand denken. War sie nicht kalt, feucht und glitschig gewesen?
„Kuuuuuhhhwiiiit!“
Der Kauz, von dem ich mir jetzt sicher war, dass er keiner war, wollte mir den Verstand rauben.
„Willst du da jetzt hängen bleiben?“
Thomas hatte gut reden. Er stand auf der sicheren Seite. Doch waren wir hier überhaupt irgendwo in Sicherheit? Ich zitterte am ganzen Körper. Das Zittern in meinen Armen ließ sich aber wenigstens teilweise auf meine schwindenden Kraftreserven zurückführen. Lange könnte ich mich nicht mehr an der Wehrkante halten. Also, entweder zurück oder …
„Ich versuch’s nochmal.“
Egal was da unten war, wenn es mich haben wollte, würde es mich vermutlich sowieso bekommen. Wieder tauchten meine Füße ein. Unterschenkel, Knie, Ober… Meine Füße fanden Halt. Sie setzten einfach auf dem Grund auf. Wie konnte das sein? Eben noch war in dieser Höhe nichts gewesen. Ich versuchte mit meinen Füßen nach links und rechts zu tasten, aber der Boden, auf dem sie standen, ließ es nicht zu. Er bewegte sich mit, krallte sich fest. Er fühlte sich kalt an, tot, fleischig, so wie …
„Kuuuuuhhhwiiiit!“
… Handflächen.
„Was ist das hier bloß für eine Scheiße?“ Meine Stimme überschlug sich. Ich begann wild zu strampeln, kam frei, wurde an der Wade gepackt, stemmte mich nach oben. Es zerrte an meinem Bein! Ich spürte seine Umklammerung. Seinen Atem im Nacken.
„Kuuuuuhhhwiiiit!“
Ich hörte ein Rauschen von allen Seiten, als näherten sich gierige Schwimmer, die ihr Opfer in der Falle wussten. Ich trat um mich, traf etwas, meine Arme knickten ein, das Kinn prallte auf die Wehrkante und ich spürte augenblicklich eine schmerzliche Wärme im Mund. Dann ein lautes Platschen, bevor mein Kopf unter Wasser tauchte. Erneut wurde nach mir gegriffen, etwas versuchte mich zu packen. Ich bäumte mich ein letztes Mal auf. Doch es hatte mich, drehte mich zu sich um.

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Maike Schneider (Hrsg.)
Edition Geschichtenweber: Schatten des Jenseits
Paperback, 180 Seiten
Web-Site-Verlag, 2005
ISBN: 3-935982-06-2

Klappentext:

„Geschichten, wie aus dem Leben gegriffen. Situationen, die jeder von uns erlebt: Eine Einladung zu einem Fest, man hat ein neues Tattoo, ist Nachts auf der Landstraße unterwegs oder geht mit einem Freund aus. Plötzlich ist alles anders – die Grenzen zwischen dem Hier und dem Drüben verschieben sich …“

13 mal Gruselschauer von 13 Autoren der „Edition Geschichtenweber“.

Bernhard Weissbecker: Ein Opfer für die Geister
Birgit Käker: Drei aus der Hand
Dorothea Rake: Erinnerung
Gerti Platzer: Das letzte Tattoo
Jochen Brockmann: Das alte Gasthaus
Jörg Olbrich: Gefährliche Träume
Jürgen K. Brandner: Das Grab der Alten
Maike Schneider: Charlys Nacht
Marion Charlotte Mainka: Das Haus in den Marschen
Martin Skerhut: Mein Vater
Manuela P. Forst: Isabella
Philipp Bobrowski: Käuze am Küstrinchen
Timo Bader: Die Rache der Kellergeister

Weitere Informationen, Leseproben und Rezensionen bei den Geschichtenwebern.
Bestellen beim Verlag
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Bernhard Weissbecker Ein Opfer für die Geister
Birgit Käker Drei aus der Hand
Dorothea Rake Erinnerung
Gerti Platzer Das letzte Tattoo
Jochen Brockmann Das alte Gasthaus
Jörg Olbrich Gefährliche Träume
Jürgen K. Brandner Das Grab der Alten
Maike Schneider Charlys Nacht
Marion Charlotte Mainka Das Haus in den Marschen
Martin Skerhut Mein Vater
Manuela P. Forst Isabella
Philipp Bobrowski Käuze am Küstrinchen
Timo Bader Die Rache der Kellergeister

Fenster

Wenn ich manchmal so dasitze und überlege, wie es mit dem nächsten Satz weitergehen soll, dann schaue ich gern ein bisschen aus dem Fenster. Da passiert nicht viel mehr, als dass sich ein paar Bäume im Wind wiegen. Ab und zu verirrt sich ein Vogel in die Nähe. Oder der Nachbar stapft um sein Haus.

Dennoch hilft es oft, für ein paar Minuten abzuschalten und hinauszusehen. Allerdings müsst ich das Fenster mal wieder putzen.

Montségur öffnet sich

Montségur gehört sicher zu den wichtigsten Autorenforen im Internet. Nicht zuletzt deshalb, weil es ein geschlossenes Forum ist, in dem sich vor allem diejenigen über ihre Erfahrungen rund ums Schreiben und Veröffentlichen austauschen können, die auf dem Weg in und durch den Literaturbetrieb bereits ein gutes Stück vorangekommen sind.

Das bedeutete auf der anderen Seite leider auch, dass diejenigen, die noch ganz am Anfang dieses Weges standen, falls sie ihn denn überhaupt ernsthaft beschreiten wollten, nur über das Mitlesen im öffentlichen Bereich von den Erfahrungen der Montségutmitglieder profitieren konnte.

Seit einiger Zeit nun arbeitet die Forenadministration daran, auch ambitionierten Anfängern eine Plattform zu bieten, auf der sie von erfahrenen Autoren und Fachleuten der Branche angeleitet werden.

Die Montségur Akademie richtet sich ausdrücklich an Einsteiger und bietet eine einzigartige Plattform, in der sie von Profis der Branche unterstützt werden.

Neben einem Diskussionsforum, das ausschließlich von professionellen Autoren und Fachleuten der Branche moderiert wird, bietet die Akademie angeleitete Textkritiken und Arbeitsgruppen, deren Anspruch über das Hobbyniveau weit hinausgeht und die sich an den realen Anforderungen der Branche orientieren.

Auch Workshops und Lehrgänge sind angedacht. Ein bisschen gedulden muss man sich aber noch. Wer nichts verpassen will, abonniert am besten den Newsletter der Akademie.

Die Montségur Akademie richtet sich ausdrücklich an Einsteiger und bietet eine einzigartige Plattform, in der sie von Profis der Branche unterstützt werden.Neben einem Diskussionsforum, das ausschließlich von professionellen Autoren und Fachleuten der Branche moderiert wird, bietet die Akademie angeleitete Textkritiken und Arbeitsgruppen, deren Anspruch über das Hobbyniveau weit hinausgeht und die sich an den realen Anforderungen der Branche orientieren.

Übergeben

Die Kurzgeschichte, die ich letzte Woche fertiggestellt und Ende der Woche noch einmal überarbeitet habe, soll Teil einer Anthologie werden, deren Geschichten alle in einem Haus angesiedelt sind. Dementsprechend handeln sie alle von den Bewohnern dieses Hauses und in jeder Geschichte taucht neben der eigenen Hauptfigur mindestens ein weiterer der Bewohner auf.

Das hat viel Spaß gemacht und ich bin sehr gespannt, wie meiner Kollegin ihre Figur in meiner Geschichte gefällt.

Wie bringe ich das nur unter?

Wenn man sich als Autor erst einmal mit seinen Figuren beschäftigt hat, mit Details der Handlung oder einer Szene, fällt es manchmal schwer, alles, was man sich da zurechtgelegt hat, auch unterzubringen.

Das ist eigentlich auch gut so, denn nicht alles ist für den Leser zum Verständnis wichtig. Wird ein Detail im Verlauf der Handlung doch noch wichtig oder kann man sich partout nicht davon trennen, sollte man es geschickt einbauen.

Ich bin mir sicher, der Autor, der den folgenden, etwas abgewandelten Textausschnitt geschrieben hat, hatte genau diese Intention:

Herr Freund näherte sich ihrem Tisch. „Darf ich?“
„Natürlich“, sagte Moni zwischen zwei Bissen von ihrem Schnitzel.

Es war ihm wichtig, dem Leser mitzuteilen, was es zum Mittagessen gab. Leider gibt er dem Leser mit dieser Methode weit mehr Informationen als beabsichtigt (da ich den Rest des Textes kenne, kann ich das einschätzen).

Die Art, wie Moni reagiert, vermittelt nämlich, dass sie entweder generell sehr unhöflich ist oder zumindest in dieser Situation. Dabei wollte der Autor nur sagen, dass sie gerade Schnitzel isst.

Es heißt also, sehr vorsichtig zu sein. Man könnte das Schnitzel, wenn man es denn unbedingt braucht, auf diverse Arten in den Text einbringen, nicht zuletzt mit einem einfachen Aussagesatz.

Acht mal Zeit zum 31.05.10

Achter-Autorenwettbewerb

Originalausschreibung: www.achter-verlag.de/

Erzählungen zum Thema „Zeit“ gesucht

Im Rahmen seiner Edition „Acht Geschichten“ plant der Achter Verlag eine Anthologie zum Thema „Zeit“. Hierzu schreibt der Verlag einen Autorenwettbewerb aus. Gesucht werden Erzählungen, die sich im weitesten Sinne mit dem Begriff „Zeit“ auseinandersetzen.

Folgende Preise werden vergeben:

1. Preis: 500 Euro
2. Preis: 300 Euro
3. Preis: 200 Euro

Die besten acht Erzählungen werden als Buch publiziert.

Die Texte sollen mindestens 16 und höchstens 24 Normseiten (1 Normseite =1.800 Zeichen) lang und bisher unveröffentlicht sein. Sie sollen als Word-Format per E-Mail an den achter-verlag@t-online.de eingesandt werden.

Einsendeschluss ist der 31. Mai 2010.

Weitere Informationen:

Achter Verlag
Hauptstraße 12
56729 Acht
Tel.: 0151-50447239
E-Mail: achter-verlag@t-online.de
www.achter-verlag.de

Der Feuerstern

Eine Leseprobe aus meiner Gerschichte „Der Feuerstern“, die in der Geschichtenweber-Anthologie „Wildes Land“ im Web-Site-Verlag erschienen ist.

Thoron möchte gern ein Held werden, um seine Doriel zu beeindrucken, ein Held wie Eodor, der Sohn des Fürsten. Und schneller, als er denkt, bekommt er die Gelegenheit dazu. Denn auf einem gemeinsamen Ausritt wird Doriel entführt. Nun begiebt sich der Möchtegern allein auf die Suche, die durch tückische Wälder und Sümpfe führt.

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Weit war er nicht gekommen. Er quälte sich bestimmt schon seit einer halben Stunde durch diesen Urwald, ohne wirklich voranzukommen. Nichts deutete auf einen Weg hin und die Füße sanken tief in den Morast. Die Gegend wirkte bedrohlich. Vielleicht entsprachen die Gerüchte über das Westufer des Rim ja doch der Wahrheit.

Er fühlte sich beobachtet. War da nicht ein Rascheln? Hörte er nicht Schritte hinter sich? Sah er dort nicht eine Gestalt hinter dem Gebüsch? Es wurde erstaunlich schnell dunkel, denn die Bäume waren hoch und das Licht der untergehenden Sonne erreichte den Waldboden kaum noch. Es war nicht mehr möglich, einen Weg zwischen Stämmen und Unterholz zu finden, geschweige denn, die Spuren weiterzuverfolgen, die nun erneut flussabwärts führten. Und wieder stand er vor einem der zahlreichen Bäche, die den Rim speisten. Hoffentlich kamen die Entführer auch nicht schneller voran.

Thoron war müde. Müde und hungrig. Und er fror. Getrockneter und nasser Schlamm verkrustete in dicken Schichten seine Stiefel und Unterschenkel. Aber nur gegen die Müdigkeit konnte er etwas unternehmen. Tastend suchte er sich eine dicke Baumwurzel, auf der er – halbwegs vor dem Morast geschützt – die Nacht verbringen wollte.

Trotzdem konnte er zunächst nicht einschlafen. Die Aufregungen des Tages hielten ihn wach. Und er hörte Geräusche: klagende Rufe und spitze Schreie, die er keinem ihm bekannten Tier oder anderen Wesen zuordnen konnte. Sicher hatte selbst Eodor bei seinen Taten nie solche Qualen durchleben müssen. Nein, der ging los und stach seinen Feinden das Schwert in die Brust. Oder er erlegte damit Drachen und befreite holde Jungfrauen. Was allerdings ihm hier zugemutet wurde …

Nun dachte er an seine Dor. Wieder sah er sie mit dem Feuerstern im Haar. Was würde er darum geben, sie schon jetzt wohlbehalten bei sich zu wissen?

Er zog die Beine an und kauerte sich dichter an den Stamm, an dem er lehnte. Dann holte er sein Schwert aus der Scheide und legte es griffbereit über seine Knie. Er versuchte sich auf die Entführer zu konzentrieren, wie immer sie auch aussahen, stellte sich vor, wie er unter ihnen wüten würde, um endlich Doriel wieder in seinen Armen zu halten, ihrer bewundernden Blicke und der Dankbarkeit ihres Vaters gewiss. Mit diesen Gedanken sank er schließlich in einen unruhigen Schlaf.

Er sah Doriel vor sich. Sie stand nicht weit von ihm entfernt. Thoron ließ den Wald hinter sich und lief auf sie zu. Der weiche Boden versuchte ihn aufzuhalten, gab mehr und mehr nach. Immer tiefer versanken die Füße, immer schwerer wurde es, sie aus dem Sumpf zu befreien. Jetzt steckte sein linkes Bein bis zur Hüfte im Morast. Thoron verlagerte sein Gewicht, stützte sich auf das andere Bein, doch auch hier gab der Boden nach. Schon spürte er die Feuchtigkeit sein Hemd aufweichen, der modrige Geruch kroch ihm in die Nase. Er rief Doriel um Hilfe an, aber er bekam nur Gelächter zur Antwort.

Denn es war nicht sein geliebtes Mädchen, das dort stand. Gelbe verfaulte Zähne steckten vereinzelt in einem breit grinsenden Mund ohne Lippen. Eine schiefe, verbeulte Nase bildete – einer knorrigen Wurzel gleich – nur annähernd die Mitte des vernarbten, ledrigen Gesichts. Zwei kleine, schmale Augen versteckten sich hinter den vollen Wangen und den buschigen Brauen, um sich dort über seine verzweifelte Lage zu belustigen. Dünne graubraune Haarsträhnen flüchteten aus dem viel zu großen Kopf, der auf einem schmächtigen, gekrümmten Körper mit kurzen Beinen saß, dessen hervorstechendstes Merkmal ein mächtiger Buckel war.

Thoron erschrak beim Anblick dieses merkwürdigen Wesens, und unter dessen höhnischem Gelächter versuchte er sich freizukämpfen. Doch da war noch etwas anderes. Er sah ein riesiges Maul auf sich zukommen und …

Er erwachte schreiend und sprang auf die Füße. Gerade rechtzeitig, bevor das Maul zuschnappen konnte. Im ersten Dämmerlicht des neuen Tages erblickte er die furchtbare Bestie, die sich in seinen Traum geschlichen hatte. Sie kroch langsam auf ihn zu und er musste rückwärts ausweichen. Der lang gestreckte Körper – Thoron schätzte ihn auf mindestens fünfzehn Fuß – war bis zur Schwanzspitze mit dicken Panzerplatten bedeckt und endete auf der ihm zugewandten Seite in diesem riesigen Maul, das mit unzähligen dolchartigen Zähnen bewaffnet war. Jetzt schob der Drache seinen mächtigen Leib über Thorons Klinge, die bei seinem Aufspringen im Schlamm gelandet war.

Wie oft hatte er davon geträumt, eines Tages einen Drachen zu töten und als Held in Doriels Arme heimzukehren oder seine Geliebte gar aus den Klauen einer solchen Bestie zu befreien. Aber die Wirklichkeit übertraf seine Vorstellungen bei weitem. Sicher, die Untiere seiner Träume waren viel größer gewesen. Schreckliche Gegner, aus deren Mäulern feuriger Atem und donnerndes Brüllen gekommen war. Doch obwohl das Tier, dem er sich jetzt gegenüber sah, keinen Ton von sich gab und keinerlei Anstalten machte, ihn mit brennendem Odem zu überziehen, war er sich sicher, seinem Ende entgegenzusehen. Die kalte Ruhe, mit der sich das Biest auf ihn zu bewegte, brachte eine tödliche Gewissheit mit sich.

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Wildes LandTimo Bader und Jürgen K. Brandner (Hrsg.)
Edition Geschichtenweber: Wildes Land

Paperback, 240 Seiten
Web-Site-Verlag, 2005

Klappentext:

Ein Krieger aus vergessenen Tagen zieht aus, um sich in den Wäldern seiner größten Herausforderung zu stellen … Auf Rügen droht ein Mädchen in einem Sumpfloch zu versinken, als ein Troll zu ihrer Rettung eilt … Eine Elfin muss in den Bergen eine schwere Prüfung bestehen und wagt sich in die Höhle des Drachen … Beim Meditieren auf einer Lichtung im Wald wird ein junger Mann von Nachtelfen in ihr dunkles Reich entführt … In einer Höhle im Sumpf lebt eine verstörte Frau, bis eines Tages ihr ein Spaziergänger begegnet …

Sümpfe, Höhlen, dunkle Wälder – an diesen drei geheimnisvollen Orten spielen die Geschichten der 14 Autorinnen und Autoren der Edition Geschichtenweber. Die Anthologie bietet eine bunte Vielfalt an verschiedenen Genres der Phantastik: von Fantasy bis Dark Fantasy, leichtem Grusel bis Horror, schillernde Geschichten der High- und Epic-Fantasy, düstere Thriller- und Mystery-Tales, romantischen Liebes-Geschichten bis hin zu knisternden Erotik-Storys – und vieles, vieles mehr!

Um die mystischen und märchenhaften Schauplätze der Geschichten auch noch für unsere Nachkommen zu erhalten, spenden die Autoren und Künstler aus dem Erlös der Anthologie 2 EURO pro verkauftem Exemplar an den World Wide Fund For Nature (WWF). Der Schutz der letzten natürlichen Wälder ist eines der Hauptanliegen des WWF.

J.R. Kron: Der Wolf und der Geist
Irmgard Fliedner-Grandke: Albenkind
Jörg Olbrich: Ein Troll auf Rügen
Maike Schneider: Eine Herzenssache
Jürgen K. Brandner: Moordämonennacht
Mandy Schmidt: Das Lied der Weberin
Christine R. Förster: Die Prüfung
Martin Skerhut: Entführt in eine fremde Welt
Timo Bader: Der Fall der Jane J.
Sabrina Eberl: Das Geheimnis der Höhle
Philipp Bobrowski: Der Feuerstern
Nina Horvath: Das Ding in der Höhle
Birgit Käker: Jäger in der Dämmerung
Marion Charlotte Mainka: Das grüne Leuchten

Weitere Informationen, Leseproben und Rezensionen bei den Geschichtenwebern.
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Alexandra Neldel – eine Hure?

Bei Elmar und Iny Lorentz kann man nicht nur erfahren, dass ihr erfolgreichster Roman „Die Wanderhure“ derzeit mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle verfilmt wird, sondern auch ihre Eindrücke von einem Besuch bei den Dreharbeiten nachlesen. Und natürlich sind sie wieder mit dem Wohnwagen zum Drehort in Fót bei Budapest gereist.

Ich freue mich sehr für die beiden, dass sich ihr Erfolg nun bald auch filmisch fortsetzen wird.

Der Kummer mit den Regeln

Ich sage gern, es gibt keine Regeln, allenfalls Richtlinien, besser noch Ratschläge, sofern es ums Schreiben geht.

Zwei davon, nämlich solche, die den Schreibdiskurs der letzten Jahre ganz entscheidend prägen, stehen in einer Diskussion im Montsegur-Forum derzeit auf dem Prüfstand: Show, don’t tell und szenisch vs. berichtend.

Dabei ist es weniger wichtig, welcher der beiden Lehrsätze durch das Ausgangsposting mehr berührt wird (meiner Meinung nach sind es beide), sondern eben die Erkenntnis, dass die Übertreibung schnell zu Einseitigkeit und Langeweile führt.

Meine Erfahrung aus dem Lektorat besagt außerdem, dass angehende Schreiber schon ohne Regelkenntnis dazu neigen, weniger Wichtiges auszuwalzen und Schlüsselszenen im Eiltempo abzuhandeln.

Kurz und gut

Es hat Spaß gemacht, in der letzten Woche mal wieder an einer Kurzgeschichte zu schreiben. Das „gut“ im Titel bezieht sich also nicht auf die Qualität des Textes, sondern auf die Freude, die ich beim Schreiben hatte. Wie das Ergebnis ausgefallen ist, müssen andere beurteilen.

Klassiker vor Gericht

Der Mörderin fehlt scheinbar jedes Motiv. Ihr Opfer: ein ihr völlig fremder Mann. Des Rätsels Lösung findet sich erst durch eine weitere Frau. Die beiden haben sich bei einer Zugfahrt kennengelernt und sich ihr Leid geklagt. Beide waren ihrer Ehemänner überdrüssig und vereinbarten, jeweils den der anderen zu ermorden, um sich gegenseitig mit dem perfekten Mord ihrer Sorgen zu entledigen.

Ein junger Mann wird von einem reichen Herrn beauftragt, dessen Sohn nach Hause zurückzuholen, der sich auf Kosten des Vaters im Ausland amüsiert, statt sich seinen Verpflichtungen daheim zu stellen. Die Suche gestaltet sich erfolgreich, doch der Gesuchte überzeugt den jungen Mann, es sich gemeinsam mit ihm gut gehen zu lassen und die Jugend zu genießen. Fasziniert von Leben und Wohlstand des Berufssohns, versucht der Mann schließlich den Gesuchten zu ermorden und sich als er auszugeben.

Klar, weiß jeder sofort, von welchen beiden „Fällen“ ich spreche. Letzterer wurde von Fernsehrichter Alexander Holt verhandelt, ersterer ist schon etwas länger her und mein etwas löchriges Gedächtnis erinnert sich nicht mehr, ob auch Holt oder eine(r) seiner Kollegen/innen den Vorsitz hatte.

Wie, ein Roman? Ein Film? Na so was. Das wäre ja seltsam.

Da soll es doch Leute geben, die noch immer glauben, Sat.1 stelle ein paar Kameras in einen echten Gerichtssaal während einer echten Verhandlung. Und die Kameraleute seien zufällig auch immer dabei, wenn etwas Aufregendes im Flur, der Garage oder auf dem Klo passiert. Oder zumindest seien es echte Fälle, die von den Produzenten nachgestellt würden.

Nun müssen also selbst die, die zähneknirschend akzeptiert haben, dass die ach so authentischen Fälle aus der Feder von Skriptautoren stammen, die sich ihrerseits mit der meist diletantischen schauspielerischen Umsetzung ihrer Drehbücher abgefunden haben, mit dem Gedanken leben, dass eben diesen Autoren ihre Ideen manchmal auf seltsamen Kanälen zufliegen und sie sich nicht einmal die Mühe machen, dies nicht allzu offensichtlich werden zu lassen.

Nennt man das Inspiration? Nun ja, es reicht jedenfalls, um sich in der Mittagspause die Werbeunterbrechungen bei „Two and a Half Man“ auf ähnlich amüsante Weise zu vertreiben.

Bleibt nur die Frage, ob dieses Phänomen für den Realismus der Vorlagen spricht oder ob sich die Fernsehmacher um eben diesen Realismus einen Dreck scheren.

Der / die / das Nächste bis 25.05.10

Essaywettbewerb – der/die/das Nächste bitte?!

Originalausschreibung: http://www.br-online.de/bayern2/nachtstudio/essaywettbewerb-derdiedas-naechste-bitte-ausschreibung-ID1264003233829.xml

und http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite/2010/01/20/cumulus/BR-online-Publikation-ab-01-2010–28658-20100125143255.pdf

Die Suchmaschine findet: nächster Bäcker – 22.800 Einträge, nächster Vollmond – 39.800, nächstes Länderspiel – 228.000, nächstes Thema – 11.800.000, das nächste Mal – 19.600.000 Einträge. Wer oder was ist der/die/das Nächste bitte?

Im Diskurs über die gegenwärtige Gesellschaft ist oft vom Individuum die Rede. Das – zugespitzt – „unternehmerische Selbst“ ist Ausdruck der Subjektivierung unserer Gesellschaft. Die sozialen Netzwerke im Internet verstärken diesen Prozess. Die mediale Vielfalt schafft Unterhaltung und Kommunikation und gleichzeitig Vereinzelung. Ein Widerspruch?

Wir sind auf der Suche nach der heute gültigen Philosophie der nächsten Dinge. Müssen wir – frei nach Nietzsche – „wieder gute Nachbarn der nächsten Dinge“ werden? Sind Nachbar und Nachbarland tatsächlich näher als die Facebook-Freunde oder die globalisierte Ferne?

Schicken Sie uns Ihren Essay. Über das nächste Jahrzehnt, das nächste Ziel, den nächsten Sommer. Über die Nächstenliebe oder die nächste Liebe.
Oder über der/die/das Nächste bitte!

Abgabe 25. Mai 2010

Eine Jury wählt aus den Einreichungen die drei besten Essays aus.

1. Preis 3000.- Euro*
2. Preis 2000.- Euro*
3. Preis 1000.- Euro*

*Die Vergütung setzt sich aus den Sendehonoraren der beteiligten Rundfunkanstalten zusammen.

Der Essaywettbewerb wird veranstaltet von Bayern 2 gemeinsam mit SWR 2 und nordwestradio.

Die Gewinner-Essays werden ab Juli 2010 im Bayern 2-Nachtstudio, im SWR 2-Essay und in der Sendung Religion und Gesellschaft beim nordwestradio (Radio Bremen) präsentiert.

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Forum Essay 2010 im Bayerischen Rundfunk
Vorträge, Diskussion, Preisverleihung des Essaywettbewerbs „der/die/das Nächste bitte?!“

1. Juli 2010, 10.00 – 22.00 Uhr
Funkhaus des Bayerischen Rundfunks
Arnulfstrasse 42/44
80335 München

Themen

  • Chancen des Radioessays
    (Barbara Schäfer, Nachtstudio / Bayern 2)
  • Rückkehr des Essays online
  • New American Essay – eine Erfolgsgeschichte
  • Der Essay als Zufall
  • Filmessay / Essayfilm im Zeitalter der Blockbuster
  • Süchtig nach der wirklichen Welt – Essay, Dokument, Literatur
  • Verlagsecho

Forum Essay Diskussion: Sprache in den Medien – zwischen Künstlichkeit und Authentizität

Mit
Sybille Krämer, FU Berlin
Stephan Krass, Essay SWR
Volker Panzer, nachtstudio ZDF
Johannes Ullmaier, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Information und Anmeldung:

Bayerischer Rundfunk
Nachtstudio/Bayern 2
Rundfunkplatz 1
80335 München

Tel: 089-5900-2301
E-Mail: nachtstudio@bayern2.de

Das Über-Ich

Eine Leseprobe aus meiner Geschichte „Das Über-Ich“, die in der Geschichtenweber-Anthologie „Optatio Onyx – Wünsche des Verderbens“ im Web-Site-Verlag erschienen ist.

Adrian fehlen vor allem zwei Dinge: Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft. Darüber hinaus glänzt er nur durch Schüchternheit. Als er sich durch ein Kaufhaus in Frankfurt schleicht, um die Bedürfnisse seiner geschenksüchtigen Frau zu befriedigen, wird er fast von einem Mann überrannt, der vor einer Rockerbande flüchtet.
Adrian findet einen geheimnisvollen Armreif, den vermutlich der Verfolgte verloren hat. Von nun an wird sich sein Leben gründlich ändern.

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Adrian begann den Haufen nutzlosen Krams zu durchsuchen, der sich zu Schleuderpreisen vor ihm auftürmte: bunte Kämme, grüne und rote Plastikbecher, Haarspangen in allen Farben … Nichts davon taugte auch nur annähernd für den erwarteten Liebesbeweis. Dann sah er diesen schwarzen Stein zwischen der Billigware glänzen. Er griff danach und zog einen Armreif hervor. Das war es wohl, was dem armen Mann vom Handgelenk gefallen war. Er sah ein wenig zu wertvoll aus für einen Wühltisch: ein schwarzer halbmondförmiger Stein mit weißen Verzierungen. Adrian kannte sich mit Schmuck nicht aus und hatte keine Ahnung, um welche Art Stein es sich handeln könnte. Nur wusste er, dass er ihn eigentlich seinem Besitzer zurückbringen müsste. Als er an den Verfolgten dachte, fröstelte ihn.

Er strich mit dem Finger über den Reif und ein leichtes Kribbeln breitete sich in seiner Hand und dann in seinem Arm aus. Vielleicht sollte er erst einmal sicher gehen, ob der Armreif nicht doch schon hier gelegen hatte. Er ging zur nächstgelegenen Kasse und stellte sich ans Ende der Schlange.

»Entschuldigung?«
Die Kassiererin hatte sich, als er an der Reihe war, zu einer Kollegin umgedreht und begonnen über ein Telefonat mit ihrem Liebsten zu erzählen. Jetzt drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn genervt.
»Entschuldigen Sie bitte, ich will wirklich nicht lange stören. Ich wollte nur fragen, ob dies hier«, er zeigte den Armreif vor, »zu Ihrem Sortiment gehört.«
»Wo haben Sie es denn gefunden?«
»Dort auf dem Wühltisch.«
Die Kassiererin zögerte einen Moment, ließ den Blick ihrer rehbraunen Augen noch einmal an Adrian heruntergleiten, strich dann ihr blond gefärbtes Haar zurück und sagte: »Natürlich gehört das zu unserem Sortiment.«
»Es ist nur, weil kein Preisschild dran war.« Seine Stimme wurde immer leiser. Er fingerte am Gestell seiner Brille herum. »Und dann war da dieser Mann, der …«
»29,99.«
»Wie bitte?«
»Es kostet neunundzwanzig Euro und neunundneunzig Cent.«
Die Kollegin der Kassiererin versuchte ein Kichern zu unterdrücken.
»Sind Sie sicher?«
»Wollen Sie es nun kaufen oder nicht?« Die Verkäuferin machte Anstalten, sich wieder umzudrehen.
»Hier wollen auch noch andere Leute einkaufen«, hörte Adrian eine keifende Stimme hinter sich. Er drehte sich gar nicht erst nach ihrer Besitzerin um, kramte das Portemonnaie aus der Innentasche und zählte dreißig Euro auf den Kassentisch. »Stimmt so, vielen Dank.«

Warum war er nur immer so ein Weichei? Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als wenigstens ein bisschen selbstbewusster zu sein. Er blieb stehen, drehte sich um, ging zurück. Diesmal stellte er sich nicht an. Und er sprach so laut, dass es die gesamte untere Etage hören musste.
»Wissen Sie, Sie können das Geld behalten. Kaufen Sie sich etwas Schönes dafür. Aber denken Sie nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass Sie mich verarscht haben. Was sind Sie nur für eine erbärmliche Kreatur. Glücklicherweise komme ich nicht aus Frankfurt, denn bei Ihnen wollte ich sicher nicht noch einmal einkaufen!«

Er fühlte sich gut, fühlte sich … so hatte er sich noch nie gefühlt. Sicher, irgendwie. Stark, ein bisschen. Er störte sich nicht daran, was die Kaufhausangestellte jetzt von ihm dachte. Ihn störten auch die Blicke der anderen Kunden nicht, die ja nicht wissen konnten, warum er gerade so laut geworden war. Ja, er war laut geworden. Wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben. Und er konnte sich gar nicht erklären, warum.

Jedenfalls hatte er jetzt die richtige Kleinigkeit für Isabell. Natürlich wusste er, dass der Armreif eigentlich dem armen Verfolgten gehören musste. Doch selbst um den wollte er sich jetzt nicht weiter kümmern. Was ging ihn das Leid des Fremden an? Adrian hatte keine Lust, weiter durch Frankfurts Einkaufszentren zu latschen. Außerdem war er gerade dreißig Euro für den Armreif des Mannes losgeworden. Er hatte ihn also rechtmäßig erworben. Und er musste zum Bahnhof.

Er hatte eine Platzkarte für einen Sitz im Nichtraucherabteil am Fenster in Fahrtrichtung. Es war nicht ungewöhnlich, dass es Menschen gab, die darauf keine Rücksicht nahmen. Schon auf der Hinfahrt am Freitag hatte er seinen Platz einer dicken Frau überlassen müssen, weil er es einfach nicht übers Herz gebracht hatte, seinen Anspruch geltend zu machen. Diesmal saß ihm ein junger Mann etwa in seinem Alter im Weg und rauchte. Alle anderen Plätze waren noch frei, schließlich fuhr der Zug erst in knapp zwanzig Minuten.
»Guten Tag. Sie sitzen auf meinem Platz.«
Der Raucher blickte ihn amüsiert an. »Das tut mir leid. Aber vielleicht könnten Sie sich woanders hinsetzen? Es ist ja alles frei. Und mir wird schlecht, wenn ich nicht am Fenster sitzen kann«, sagte er, und als er dem Blick Adrians zum zweiten Fensterplatz folgte, fügte er noch hinzu: »In Fahrtrichtung.«
Adrian war ganz ruhig. »Sehen Sie, guter Mann: Eigentlich ist es mir scheißegal, ob Ihnen von Ihrem Platz oder Ihrer Zigarette schlecht wird. Solange es nicht auf dem Platz geschieht, den ich reserviert habe. Da sitze nämlich ich. Sie dürfen also aufstehen, das Fenster öffnen, Ihren Glimmstängel dort hinauswerfen, Ihre Sachen packen und sich einen anderen Fensterplatz in Fahrtrichtung suchen.«
Sein Gegenüber öffnete den Mund, fragte dann aber nicht einmal nach dem Beweis für die Reservierung und tat – in der vorgegebenen Reihenfolge – wie ihm geheißen.
Adrian war selbst verwundert über seine Worte. Doch er fühlte sich dabei sehr wohl. Wie schön wäre es, dachte er, wenn ich das Abteil bis Marburg für mich hätte.

Das war freilich sehr unwahrscheinlich, denn an der Reservierungstafel konnte er ablesen, dass auch die anderen fünf Plätze ab Frankfurt belegt waren. Immerhin schienen das auch die Fahrgäste zu akzeptieren, die sich nun in immer kürzeren Abständen an der Abteiltür vorbeischleppten. Doch als der Zug endlich anruckte, selbst als er den Frankfurter Bahnhof schon eine Weile verlassen hatte, waren die anderen Plätze noch immer nicht besetzt. Vielleicht sind meine Mitreisenden krank geworden, mutmaßte Adrian. Oder verstorben. Das nenne ich Glück. So lässt es sich reisen.

Tatsächlich blieb er bis Marburg allein. So ließ es sich auch verschmerzen, dass er überhaupt mit dem Zug fahren musste. Isabell hatte das Auto gebraucht, weil sie gestern Abend ihre Freundin Marla in Cölbe besuchen wollte. Cölbe! Dahin hätte sie auch zu Fuß gehen können. Während er zur Weiterbildung nach Frankfurt in den überfüllten Zug steigen musste, reiste sie die paar Kilometer in seinem Passat. Aber er ließ ihr ja immer ihren Willen, riss sich den Arsch auf für Madame. Doch damit sollte jetzt Schluss sein.

Bisher hatte er sich eingeredet, er könne froh sein, überhaupt eine solche Traumfrau geehelicht zu haben, und müsse ihr, allein um sie zu halten, jeden Wunsch von den Augen ablesen. Er war aus allen Wolken gefallen, als sie ihm – wenn auch ein bisschen beschwipst – vor genau zwei Jahren und zweihunderteinundzwanzig Tagen ihre Liebe eingestanden hatte, war er doch noch einen Tag zuvor im Glauben gewesen, er sei in der Herrenboutique des Lebens der Ladenhüter schlechthin.

Jetzt war er sich sicher, dass er sich bis heute eindeutig unter Wert verkauft hatte. War nicht Isabell der beste Beweis dafür, dass er gar nicht so ein unattraktiver Kerl sein konnte? Musste sie nicht eigentlich froh sein, jemanden wie ihn ergattert zu haben?

Der Zug fuhr auf dem Marburger Bahnhof ein. Adrian wartete nicht wie üblich, bis sich alle anderen Fahrgäste, die hier aussteigen wollten, an seinem Abteil vorbeigedrängt hatten. Als er seine Sachen beisammen hatte, öffnete er die Tür zum Gang und schob sich direkt vor einer älteren Dame hinaus.
»Müssen Sie so drängeln, junger Mann? Haben Sie denn keine Achtung vor dem Alter?«
»Apropos Alter«, antwortete Adrian. »Wo wollen Sie denn in Ihrem Alter noch so eilig hin? Die Endstation erreichen Sie doch noch früh genug.«
Das ungläubige Kopfschütteln der Oma brachte ihn zum Lachen. Überhaupt fühlte er sich prächtig. Er war ein ganz neuer Mensch, seit … ja, seit er diesen merkwürdigen Armreif gekauft hatte.

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Optatio OnyxTimo Bader (Hrsg.)
Geschichtenweber: Optatio Onyx – Wünsche des Verderbens
Hardcover, 240 Seiten
Web-Site-Verlag, 2005

Klappentext:

Ein Armreif aus Onyx, beseelt von einer bösen Macht …

Ruhelos, von einem dunklen Fluch vorangetrieben, wandert er durch die Welt. Weder die Tiefen des Meeres noch der raue Wind in den Bergen werden ihn jemals aufhalten können, einen Träger zu finden, der seinem Bann erliegen wird. Wenn sein dunkler, geheimnisvoller Glanz ruft, kann niemand an ihm vorüber gehen.

Vor vielen Jahrhunderten gerieten Worte in Vergessenheit, die unsere Urahnen einst in ihrem Herzen trugen:

»Sei gewarnt, Fremder, ihn an dich zu nehmen und mit einem unbedachten Wunsch zum Leben zu erwecken! Denn dann beginnt das finstere Spiel … Plötzlich wird das Undenkbare Wirklichkeit, und kein Verlangen ist zu bizarr, als dass du es vor ihm verbergen könntest … Prüfe deinen Wunsch, Unglücksseliger, denn er könnte in Erfüllung gehen! Verflucht ist er und verflucht sei deine Arroganz, ihn für ein Geschenk der Erde zu halten – den Stein der Egoisten. Verlasse dich nicht auf das Glück, das er dir schenken wird – hast du doch ebenso das Unglück heraufbeschworen …«

Dunkel ist der Fluch, den der Armreif birgt. Jeder Wunsch erfährt eine schreckliche Entstellung. Und jeder Traum, den er erfüllt, führt den Träumenden einen Schritt näher zum Abgrund …

Timo Bader: Das Erbe des Schlangenkönigs
Philipp Bobrowski: Das Über-Ich
Marion Charlotte Mainka: Und kein Makel ist an ihr
Claudia Hornung: Im Zeichen des dunklen Herrschers
Joachim Ranc: Die Zeit der schwarzen Tränen
Mandy Schmidt: Im Reich der Tukona
Claudia Donno: Der perfekte Mann
Ruth Borcherding-Witzke: Sisyphus
Marlies Eifert: Till, der Maler
Jörg Olbrich: Der Dicke und das Biest

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Auszeit

Habe mir diese Woche eine kurze Romanauszeit genommen. Nicht etwa, um zu faullenzen, sondern um eine Kurzgeschichte für eine geplante Anthologie fertigzustellen.

Die Idee dafür ist, wie ich glaube, ganz gut, doch ermöglicht sie sowohl eine eher nachdenkliche als auch eine skurrile Umsetzung. Da ich mich für die skurrile entschieden habe, muss ich den richtigen Erzählton treffen. Da soll mir der Roman nicht „dazwischenpfuschen“.

Wenn ich gut vorankomme, sitze ich schon am Wochenende wieder am Roman.

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